Revolution oder olle Kamelle?

■ Windows 95: „User“ bewerten Neuerungen unterschiedlich

Seit zwei Jahren läuft die letzte Testphase zum „größten Update aller Zeiten“. Microsoft stellt den Nachfolger für seine erfolgreichen Betriebssysteme MS-DOS und Windows vor, mit denen weltweit 80 Prozent aller Personalcomputer laufen: Windows 95. Das Betriebssystem in einem PC organisiert das Zusammenspiel der einzelnen Programme und regelt das Verschieben der Daten von der Eingabe per Tastatur über die Festplatte bis zum Drucker. Windows 95 soll für normale BenutzerInnen („User“) die Bedienung stark vereinfachen. Der PC erkennt künftig selbständig, mit welchen Zusatzgeräten wie Videokarten oder Druckern er arbeitet.

Das Eintippen von Befehlen wie unter DOS entfällt: Wie schon seit einigen Jahren bei den Computern der Firma Apple erscheint auf dem Schirm für jedes Programm ein Bildchen – einfach mit der Maus anklicken, und die Software startet selbständig. Schnell stößt jedoch an Grenzen, wer die Oberfläche, das, was BenutzerInnen nach dem Einschalten auf dem Bildschirm sehen, den persönlichen Bedürfnissen anpassen möchte: denn die zuständige Registrierdatenbank ist nur von Experten geeignet zu verändern.

Die Chips des PC können künftig die Daten in 32-Bit-Paketen verschieben statt wie bisher in 16-Bit-Häppchen. Dadurch werden wirklichkeitsnähere Videospiele möglich, aber auch datenaufwendige ernsthafte Anwendungen laufen schneller. Es gibt auch das langersehnte „preemptive multitasking“, das heißt, das Betriebssystem teilt die Kapazität des zentralen Rechenchips gleichzeitig mehreren Programmen zu. Bisher überließ man dies den Programmen. Weil die bei vielen Herstellern die ganze Rechenzeit für sich beanspruchen, war die Zusammenarbeit verschiedenener Software oft konfliktreich. Einen Wermutstropfen gibt es dabei – bisherige Programme, die nicht speziell für Windows 95 geschrieben sind, werden gehandhabt wie früher, und damit ist aller Vorteil dahin.

Stark erweitert wurden auch die Möglichkeiten, in Computernetzen zu arbeiten. Vom Datenaustausch zweier Rechner über lokale Netzwerke bis zu beliebigen über ISDN- oder Telefonleitungen zu erreichenden Internet-Anbietern soll nun alles einfacher funktionieren als mit den alten Microsoft-Betriebssystemen. Der Zugang zum geplanten weltweiten Microsoft Network mit Windows 95 ist einfach über das Anklicken des betreffenden Symbols auf dem Schirm möglich. Die Testversionen versprechen einiges, Kritiker wie der Betriebssystemexperte Andrew Schulman verweisen jedoch darauf, daß die Neuerungen im wesentlichen auf die Benutzeroberfläche beschränkt sind. Die zugrundeliegende Technik hält laut Schulman damit nicht Schritt. Microsoft versucht dies zu beheben. Unlängst wurde „Memphis“ angekündigt, der interne Name für Windows 96. Das soll dann alles können, was bei Windows 95 bereits annonciert war. Michael Gellner