"Von der Stimme her bin ich nuschelig"

■ Mit seinem "Musikexpress" im Offenen Kanal lockt Uwe Scheibe die Schlagerstars aus ganz Norddeutschland nach Bremen / Jetzt kommmen sie zur Sail

Daheim trägt Uwe Scheibe gern Jogginghose. Auch sonst hält man sich im Gröpelinger Reihenhaus streng an die bundesdeutsche Norm: Blumenfenster und Wolkenstore, Schrankwand und Sitzgruppe. Im Hintergrund dudelt eine Magazinsendung mit dem optimistischen Sound der Kellogs-Frühstücksfamilie. Auf dem Couchtisch liegt die Fernbedienung immer griffbereit. Doch der Eindruck trügt, wenn Uwe Scheibe eines nicht ist, dann ein Couchpotatoe.

Die Videos, die sich neben dem Fernseher stapeln, sind Uwe Scheibes Arbeitswerkzeug, enthalten die Mitschnitte seiner eigenen Fernsehshows. Denn seit November –93 ist Uwe Scheibe als Moderator beim Offenen Kanal eingestiegen. Wo prinzipiell jeder einsteigen kann. Schließlich ist Bürgernähe und unbeschränkter Medienzugang Programm beim OK.

Scheibes neues Produkt: der „Musikexpress“, ein regelmäßiger Nachwuchswettbewerb, zu dem die Künstler der leichten Muse aus ganz Norddeutschland anreisen. Gegenwärtig erlebt der Familienvater den stressigen Höhepunkt seiner Karriere. „Wenn wir auf Sendung gehen, nehme ich jedesmal eineinhalb Kilo ab.“ Neun Kilo kommen allein diese Woche zusammen; denn täglich von 18 - 19 Uhr wird der „Musikexpress“ von der „Sail“ ausgestrahlt. Schwerpunkt dieser Tage: natürlich maritime Unterhaltung. Und schon geht's los. Kaum sind die letzten zuckersüßen Klänge verhallt, das Schulmädchen streicht sich gerade noch die langen blonden Haare aus dem Gesicht, da ist der Moderator schon zur Stelle. Mit leicht verständlichen Fragen weiß er das Eis zu brechen. “Wie lange machst du das denn schon, erzähl doch mal“, ist einer seiner Lieblingssätze. Das kommt an. Auch wenn mal was daneben geht, ihm schon der Schweiß über die Stirn läuft und er für Sekunden nicht so recht weiß, in welche Kamera er zu blicken hat: der Profi weiß sich zu retten. „Ich mach dann einen Witz und lache über mich selbst. Das hab ich bei den Profis abgeschaut.“

Der er gar nicht sein will: „Ich bin ja von der Stimme her eher nuschelig“, räumt Scheibe ein. Macht aber nichts: „Fernsehmachen ist egosteigernd!“ Was Scheibe von seiner Stelle bei Klöckner nicht unbedingt sagen kann. Dort arbeitet er seit 20 Jahren im Schichtdienst bei der Werksfeuerwehr, darauf legt er Wert, denn Betriebsfeuerwehr könne sich ja jeder nennen. Der Vorteil des bürgerlichen Berufes: Die Schichtdienste lassen sich gut mit dem immer stärker ausufernden Hobby koordinieren. Die ganze Familie ist schon integriert. „Wir haben immer schon viel zusammen gemacht“, heißt es bei Scheibes. Wo andere Familiensendungen sehen, drehen die Scheibes Familienfilme. Sohn Christian ist 14 und hat sich, wie könnte es anders sein, auf Technik spezialisiert. Ist sein Vater im Studio, fährt er den Ton. Und mit der OK-Radiosendung “Chrissies Jugendfunk“ hat er sich auch schon selbständig gemacht. Tochter Antje, 15, hat sich vor der Kamera bewährt und einen Schulleiter interviewt, zur Zeit aber hält sie sich von Medienplänen eher fern, zu attraktiv ist ihr neu aufgetanes Aktionsfeld: Cheerleading bei den Bremer „Buccaneers“. Ehefrau Martina scheut sich zwar immer noch, vor die Kamera zu treten, sie unterstützt aber das Filmschaffen der Familie nach Kräften. Für den letzten „Musikexpress“ hat sie „80 Brötchen geschmiert, die waren in einer halben Stunde weg“. Aber Zeit haben Scheibes immer noch zu viel. Etwa für eine weitere, nicht-mediale Dienstleistung: Teppich-Schampoonieren. Anruf genügt, Scheibes kommen und reinigen.

Die Nachwuchskünstler, mit denen es Uwe Scheibe in der Schlagerbranche zu tun bekommt, sind allerdings oft schwieriger im Umgang als ein fleckiger Flokati. Da häufen sich Kapricen und Launen, die schon im Vorfeld die einstündige Show oft gefährden. Da werden plötzlich Gagenforderungen erhoben, meterlang kringeln sich die Faxschlangen auf dem Wohnzimmerteppich und ununterbrochen schellt das schnurlose Telefon. „Ich will mal sagen, einige sind wirklich durchgeknallt“, resümiert der Showmaster seine Erfahrungen in der glitzernden Welt des semiprofessionellen Schlagers. Ganz blutige Anfänger haben bei diesem Nachwuchswettbewerb übrigens keine Chance, aus ganz pragmatischen Gründen. „Die müssen schon mal eine CD aufgenommen haben, sonst klappt das ja mit dem Playback im Studio nicht, und wir können die nicht live singen lassen.“ Susanne Raubold

Uwe Scheibes „Musikexpress“ läuft während der „Sail“ täglich um 18 Uhr, weitere Sendetermine 29.8. und 12.9., 18.15 Uhr (Offener Kanal, Kabelkanal 11)