: To buy or not to buy
■ In England und Italien ist Medienzar Murdoch ausgebremst worden - jetzt will er einen eigenen Satelliten ins All schießen
In Italien ist er bei dem Versuch gescheitert, die kontrollierende Mehrheit von Silvio Berlusconis Fininvest-Fernsehgesellschaft zu übernehmen. Und in Großbritannien legt man ihm jetzt ebenfalls Steine in den Weg: Medienzar Rupert Murdoch ist wütend. Schuld ist die von John Major geplante Reform der Mediengesetzgebung. Sein Minister Stephen Dorrell hat dafür die Vorlage ausgearbeitet.
Wird sie demnächst abgesegnet, können zwar Zeitungsverlage einen der im Independent Television (ITV) zusammengeschlossenen Privatsender kaufen oder auf dem Kabel-, Satelliten- und Radiomarkt mitmischen. Doch soll es eine Einschränkung geben, um der Meinungsvielfalt noch eine Chance zu geben: Das Unternehmen darf nicht mehr als 20 Prozent Marktanteil besitzen.
Diese Bestimmung hat bei dem mächtigen Murdoch verständlicherweise einen Wutanfall ausgelöst. Der besitzt nämlich 36 Prozent des Zeitungsmarktes und 40 Prozent des Satelliten-Fernsehens British Sky Broadcasting (BSkyB) und würde deshalb aus dem Rennen um die 15 ITV-Sender ausscheiden. Die vorgeschlagene Regelung würde auch die Mirror- Gruppe stoppen, die 26 Prozent des Zeitungsmarktes beherrscht, nach den Betrügereien ihres verstorbenen Chefs Robert Maxwell jedoch finanziell angeschlagen ist.
„Windei“ Major: keine Angst vor Murdoch
Diese Medienreform komme „von alten, verkrusteten und oft erfolglosen Konzernen wie Associated Newspapers, Pearson und Carlton“, kommentierte Murdoch, der mit BSkyB und den Zeitungen Times, Sunday Times, Sun, News Of The World und Today in der Vergangenheit stets auf Tory-Linie lag. Damit könnte es nun vorbei sein. Doch John Major hat wenig zu verlieren, haben ihn Murdochs Zeitungen doch längst als Windei abgeschrieben, das „nicht mal eine Schlange vor dem Kino anführen kann – geschweige denn ein ganzes Land“.
In Zukunft dürfen sich die Mirror-Gruppe und Murdoch höchstens mit 20 Prozent an einer ITV- Gesellschaft oder dem geplanten fünften Kanal beteiligen – wenn das Papier vom Unterhaus abgesegnet wird. Daran allerdings zweifelt kaum jemand, hat doch sogar die oppositionelle Labour Party bereits ihre Zustimmung signalisiert. An dem neuen fünften Kanal hat Murdoch jedoch kein Interesse, ließ er verlauten, weil er ihn nicht für konkurrenzfähig hält.
Freilich hat die britische Regierung ein Schlupfloch gelassen: Zwar will sie, daß niemand mehr als zehn Prozent des gesamten Medienmarktes beherrscht, aber eine Aufsichtsbehörde darf Ausnahmen genehmigen. Dieser Passus konnte Murdoch jedoch nicht beschwichtigen. „Ich hatte geglaubt, daß solche Geschichten nach dem Fall der Berliner Mauer vorbei wären“, polterte der gebürtige Australier.
Die geplante Liberalisierung betrifft auch die bei ITV zusammengeschlossenen Fernsehsender: Sie können künftig ihrerseits in den Zeitungs-, Kabel- und Satellitenmarkt einsteigen. Allerdings, so heißt es in dem Papier, dürfen höchstens zwei ITV-Lizenzen in einer Hand liegen. Diese Einschränkung ist bei den großen ITV-Gesellschaften auf Widerspruch gestoßen, hatten sie sich doch darauf gefreut, einige der kleinen zu schlucken.
Murdoch hat seine Aufmerksamkeit unterdessen auf einen anderen Bereich gelenkt: Vor kurzem hat er den beiden größten Kabelanbietern, Nynex und Tele West, die Zusage abgerungen, bei der Vergabe von Sportübertragungen nicht gegen seinen BSkyB- Sender zu bieten. Im Gegenzug dürfen die beiden Kabelfirmen die Sky-Programme zehn Jahre lang zu Sonderkonditionen ausstrahlen. Diese Absprache treibt kleinere Kabelfirmen in den Ruin. Darüber hinaus werden dadurch auch die Preise für die Übertragungsrechte nach oben gedrückt.
„Wenn Murdoch seine Fangarme jetzt nach einem terrestrischen Netzwerk ausstreckt, bekommt er unser gesamtes Sendesystem in seinen Würgegriff“, warnt Michael Grade, der Chef von Channel 4. Bereits 1990 sei es Murdoch gelungen, durch eine Gesetzeslücke zu schlüpfen: Die damals festgelegten Obergrenzen galten nicht für ausländische Satelliten. „Plötzlich“, so sagt Michael Grade sarkastisch, „befand sich Murdoch in der einmaligen Lage, ein Multikanal-Fernsehgeschäft aufbauen zu können, obwohl er schon mehr als ein Drittel der britischen Presse besaß.“
Eigener Satellit ist Goldes wert
Jetzt will Murdoch sogar einen eigenen Satelliten ins All schießen. „Die Gebühren für Transponder in Europa sind ein Skandal“, sagte er kürzlich, „sie sind viermal so hoch wie in den USA. Ein eigener Satellit würde sich rentieren.“ Bis es soweit ist, werden aber wohl zwei Jahre vergehen. Und bis dahin hat er erst einmal elf Transponder auf den nächsten drei Astra- Satelliten gebucht – genausoviel wie Kirch.
Bereits im Mai hatte er sich für zwei Milliarden Dollar bei MCI Communications eingekauft, dem zweitgrößten Telekommunikationsunternehmen der Welt. Damit hat er sich für die Zukunft ein Absatzgebiet für seine gigantischen Filmarchive sowie für Rugby, englischen Fußball und American Football gesichert, an denen er die Übertragungsrechte besitzt.
In Großbritannien gibt es schon die ersten Vorboten der zu erwartenden Deals: Kaum hatte die Regierung ihre Pläne für die Liberalisierung des Medienmarktes vorgelegt, da erschien im Daily Express eine glühende Lobeshymne auf Michael Green, den Chef der Carlton-Fernsehgesellschaft. Niemand zweifelt daran, daß das finanzkräftigste britische TV-Unternehmen ein Auge auf den Zeitungssektor geworfen hat. Genauso unstrittig ist, daß United News den Express abstoßen wird, wenn der Preis stimmt. Und das wäre wohl erst der Anfang, sollte das Gesetz in Kraft treten. Ralf Sotscheck
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