Blau mit weißem Stern

■ Polizei und Bürgermeister suchen das Zelt für „königlich-bayerische Aufführungen“

Waakirchen (taz) – Gesucht wird ein Zirkuszelt. Farbe dunkelblau, Höhe neun Meter, Durchmesser 22 Meter. Besondere Kennzeichen: vielzackiger weißer Stern an der Spitze, Wert: 100.000 Mark. Die Fahndung läuft auf Hochtouren, der Steckbrief liegt allen bayerischen Polizeidienststellen vor. Hinweise aller Art nimmt die Kriminalpolizei Miesbach entgegen. Letzten Samstag gegen 18 Uhr wurde das Zelt zuletzt gesehen – auf einer Wiese am Rande der 5.000-Einwohner-Gemeinde Waakirchen in der Nähe vom Tegernsee. Die Besucher der Theateraufführung hatten sich darin gerade noch köstlich amüsiert über die Schwänke des „Königlich-Bayerischen Amtsgerichts“, dann waren sie mit der Dampflok gen Tegernsee zurückgefahren. Da stand das Zelt noch. Ganz anders dagegen am nächsten Morgen. Verwundert rieb sich der Besitzer der Wiese gegen 7.30 Uhr die Augen. Verloren ragten die beiden neun Meter langen Masten in den oberbayerischen Himmel. Auch die eilig herbeigerufene Kripo Miesbach konnte nur noch das Fehlen des Zeltes feststellen. Mindestens eineinhalb Tage benötigen normalerweise Profis zum Auf- oder Abbau des vom Zirkus Busch geliehenen Zeltes. Die Täter hatten aber höchstens elf Stunden Zeit. „Die müssen sich ausgekannt haben“, schlußfolgert messerscharf, beste bayerische Polizeischule, Harald Jeuthner, der Miesbacher Kripomann.

Auch Bürgermeister Peter Finger ist das Ganze „völlig unerklärlich“, schüttelt den Kopf: „Was wollen die mit einem Zelt ohne Masten?“ Kripomann und Bürgermeister sind sich jedoch einig. Dank hervorragender Fahndungstätigkeit wird sich das Zelt so schnell nicht wieder im Freistaat blicken lassen können. „Die haben das bestimmt über die Grenze geschafft“, mutmaßen beide übereinstimmend. Aber wie soll es nun weitergehen in Waakirchen? Vielleicht im nächsten Jahr in einem neuen Zelt, dann aber mit dem Einakter: „Das Königlich-Bayerische Amtsgericht und das verschwundene Zelt.“ Bernd Siegler