„Demokratie und Kirche, das geht nicht zusammen“

■ Bremer KatholikInnen vor dem KirchenVolksBegehren

Auf die Bremer Katholikenheit läuft eine Streitwelle zu. Nachdem sich bundesweit katholische ReformerInnen zu einem „KirchenVolksBegehren“ nach Österreichischem Vorbild entschlossen haben, werden wohl ab September auch die Bremer römisch-katholischen Gläubigen bekennen können: Demokratisierung der Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, Abschaffung des Zölibats, positive Bewertung der Sexualität und ein Ende den angsteinflößenden Drohbotschaften – oder alles soll erstmal so katholisch bleiben, wie es ist. Auf der einen Seite die ReformnerInnen, die die letzte Rettung der Kirche in der Öffnung zur Welt sehen, auf der anderen die Traditionalisten, die genau in der Verweltlichung den Tod der Kirche entdecken. „Ich sehe die Kirche schon auf einem krisenhaften Weg“, umschreibt Franz Cesarz, bekennender aktiver Katholik und eher den Traditionalisten zuzuordnen, die Lage vor dem Sturm.

Dabei hat sich in Bremen noch nichtmal ein Lüftchen erhoben. Kein Wunder: Erst seit einer Woche ist klar, daß auch das deutsche Kirchenvolk über mögliche Reformen abstimmen wird. Und seitdem gab es angesichts der Ferien kaum Gelegenheit zur innerkirchlichen Diskussion. Auch nicht bei der Speerspitze der Bremer Erneuerer, der „Stadtgemeinde“, die sich als Gemeinde ohne Land und Pfarre im letzten Oktober gegründet hat. Bernd Möllers, Mitglied im Leitungsteam der Gemeide, geht aber davon aus, daß sich die Gemeinde der Basisinitiative annehmen wird: „Wer sonst.“ Und dann müßten ab dem 16. September bis zum 12. November Unterschriften gesammelt werden, denn an diesem Tag findet die Bischofskonferenz statt, die von unten unter Druck gesetzt werden soll. Möllers: „Da sind Themen angesprochen, die schon seit -zig Jahren in ständiger Diskussion sind.“ Und für die Forderungen, so sieht es Möllers, der im Hauptberuf Chef des katholischen Bildungswerks ist, findet sich unter den Gläubigen allemal eine Mehrheit, „auch in einer hundsnormalen Gemeinde“. Nur: „Es gibt nicht den Skandal wie in Österreich.“ Und das bremst die Mobilisierungsfähigkeit. Da nämlich, hinter den Bergen, hatte sich peu a peu mit freundlicher Unterstützung Roms, eine harte konservative Linie durchgesetzt – bis die Herde dem Landesschäfer gar nicht mehr folgen wollte.

Der Skandal fehlt, das scheint für die ReformkatholikInnen ein echtes Problem zu sein, auch für den Sprecher des katholischen Gemeindeverbandes, Wilhelm Tacke. „Gottseidank“, fügt er hinzu. „In Österreich sind die Gläubigen bis zur Weißglut gereizt worden.“ In Bremen dagegen herrsche liberale Gelassenheit. Tacke: „Es fehlt das richtige Feindbild.“ Der größte katholische Buhmann heißt Erzbischof Johannes Dyba, der aber sitzt in Fulda, weit weg. „In Norddeutschland sind wir weltweit Spitze“, was die Akteptanz der Basisforderungen angeht. „Die vatikanische Sexualmoral wir von keiner Bremer Kanzel mehr verkündigt, die „Drohbotschaft“ ist schon lange weg und durch „Frohbotschaft“ ersetzt, und um die Aufhebung des Zölibats gehe eh kein Weg mehr herum. Gerade sind in Hildesheim zwei ehemalige evangelische Pfarrer zu katholischen Priestern geweiht worden, „und die sind immer noch verheiratet.“

So offen sind die norddeutsche Katholiken im allgemeinen und die Bremer im besonderen, aber längst nicht alle. Zum Beispiel Franz Cesarz: „Die Umfrage ist schon in sich eine idiotische Konstellation: Demokratie und Kirche, das geht nicht zusammen. Am Ende soll dann auch noch abgestimmt werden, ob es Gott gibt.“ Die Öffnung des Priesteramts für Frauen? „Ich bin dagegen. Eine Modeerscheinung durch die Feminisierung der Welt. In der Kirche von England hat das zu einer Spaltung geführt.“ Das Zölibat? „Da gibt es 1.000 gute Gründe dafür. Gucken Sie doch mal, welche Orden überhaupt noch Zustrom haben. Nur die strengen. Manchmal weiß man doch überhaupt nicht mehr, ist das ein Kloster oder ein Hotel. Das sind keine Mönchszellen mehr, das sind Singlebuden.“ Und überhaupt: Das Petrusamt müsse respektiert werden, das sei schließlich in der Bibel so gedacht gewesen. Bei manchen ReformerInnen habe man nur noch den Eindruck: „Der Papst stört.“

„Die Frauen wollen alles, glücklicher sind sie aber nicht geworden.“

Überhaupt nicht einverstanden mit dem neuen Verweltlichungsschub, den die Basisbewegung in der katholische Kirche tragen will, ist auch Dagmar Erling, Mitglied im Vorstand des Gemeindeverbandes, dem höchsten Finanzgremium der Bremer KatholikInnen. Schon falsch, daß sich eine Laieninitiative um die Abschaffung des Zölibats bemüht: „Das ist doch immer wieder der gutmeinende Umkreis, aber überhaupt nicht die Betroffenen. Das ist doch eine Sache des Klerus.“ Außerdem hätte auch die evangelischen Kirche ohne Zölibat dieselben Probleme mit dem Priesternachwuchs. Und schließlich seien so viele evangelische Pastoren geschieden, „die sind mehr mit sich als mit der Gemeinde beschäftigt.“ Gerade im Zölibat liege eine Chance: „Erneuerung durch Selbstdisziplin. Man muß sich nur die enorme Opferbereitschaft in manchen Sekten ansehen. Wer je gefastet hat, sich beherrscht und zurückgenommen hat, der wird wissen, was das für ein tolles Gefühl ist. Alles freizugeben, das ist der falsche Weg.“ Zu diesem falschen Weg gehöre auch die Debatte um die Empfängnisverhütung. „Das ist alles zu kurz gedacht. wer weiterdenkt wird sehen: Der Papst hat recht.“ Mit der Empfängnisverhütung „können die Frauen alles mitmachen, aber die Würde der Frauen bleibt auf der Strecke. Die Frauen wollen alles, glücklicher sind sie aber nicht geworden.“ Insgesamt sei die Initiative viel zu populistisch: „Man schielt zu sehr nach Meinungen. Wenn wir aber so werden wie ein Fußballverein, dann stehen wir auch bald in Konkurrenz zu Fußballvereinen. Dabei haben wir doch was viel besseres.“ J.G.