Nix für die Inhaltslieferanten

■ Schön, daß wir jetzt Zeitungen auf CD-ROM und on line lesen können - aber was haben die Autoren und Autorinnen davon? Bisher fließt Geld nur an die Verleger.

Haben Sie das auch schon gelesen? In Zukunft werden wir unsere Morgenzeitung auf dem Computermonitor lesen, unsere Kinder werden für ihre Hausaufgaben in riesigen Datenbanken recherchieren, und die Zeitungsarchive werden für jeden on line zugänglich sein. Wow, schöne neue Welt!

Mit solchen Zukunftsversprechen ködert man neuerdings Computerkäufer. Und in der Tat bieten Telekom und CompuServe immer mehr Printmedien zum Abruf per Computer an. Wer noch nicht vernetzt ist, kann ganze Zeitungarchive auf CD-ROM oder Diskette erwerben. Ein Problem wird dabei bisher allerdings wohlweislich ignoriert: Wie das Urheberrecht der Autoren und Autorinnen geschützt werden soll, weiß im Augenblick niemand. „Es ist, als sei plötzlich Diebstahl legal, weil die Einbruchwerkzeuge moderner geworden sind“, scherzt man in Journalistenkreisen.

Noch sind die Gewinne bescheiden

In den letzten Monaten vermeldete fast jede Woche eine deutsche Zeitschrift oder Zeitung den Aufbruch ins digitale Zeitalter: Die taz gibt's bei der Datenbank GBI und neuerdings im World Wide Web, den Spiegel bei CompuServe, Die Woche über Datex-J, die Neue Zürcher Zeitung bei der Datenbank Lexis/Nexis, außerdem jede Menge CD-ROMs und Disketten von der FAZ bis Capital und natürlich ebenfalls von der taz. Auch wenn das sogenannte Electronic Publishing im Augenblick allenfalls bescheidene Gewinne abwirft, muß man jetzt sein Terrain abstecken, wenn man nicht ins Hintertreffen geraten will.

Zuweilen wird auch jetzt schon nicht schlecht verdient: Wer zum Beispiel bei der Datenbank GBI einen Artikel abruft, muß außer einer Grund- und Nutzungsgebühr pro Text 3 Mark bezahlen – insgesamt können so pro Dokument leicht 15 Mark zusammenkommen. Eine Hälfte behält die GBI, der Rest geht an die Zeitung. Die Autoren, im Digitaldeutsch schlicht „Content-Provider“ (Inhaltslieferanten) geheißen, gehen dabei leer aus. Dabei ist die Rechtslage eigentlich klar: Das digitale Recycling ist eine „Vervielfältigung im Sinne des Urheberrechts“, wie es so schön im Juristendeutsch heißt. Und für diese Vervielfältigung muß auch abermals bezahlt werden.

Darum muß schließlich jeder Copyshop einen kleinen Betrag pro Kopie an die Verwertungsgesellschaft Wort abführen. Die verteilt dieses Geld unter ihren Mitgliedern, ähnlich wie die Gema Musiker für das Abspielen ihrer Stücke in Radio und Diskotheken honoriert. Für die neuen digitalen Dienste fühlt sich die Münchner VG Wort allerdings bislang nicht zuständig, obwohl hier viel einfacher kopiert werden kann: Liegt ein Text oder ein Foto erst mal in Nullen und Einsen umgewandelt vor, kann man ihn beliebig oft mit dem Computer ausdrucken, faxen, in einer Mailbox anbieten oder per e-mail verschicken. Bezahlt werden dafür bisher weder Journalisten noch Fotografen.

Dabei steht sowohl freien Journalisten als auch festangestellten Redakteuren ein Honorar zu. Die freien Mitarbeiter überlassen ihre Artikel dem Verlag gegen Zeilenhonorar zum einmaligen Abdruck. Für die digitale Weiterverbreitung müssen sie nicht nur ihre Zustimmung geben, sondern auch ein zweites Mal bezahlt werden. Die Artikel von festangestellten Redakteuren können zwar vom Verlag, bei dem sie beschäftigt sind, genutzt werden. Wenn der aber ihre Werke über eine Datenbank verbreitet, so ist er „vergütungspflichtig, weil Datenbankbetreiber und Verlag regelmäßig nicht identisch sind“, so Benno Pöppelmann, der Justitiar des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Große Medien wie die FAZ oder der Spiegel bezahlen ihren Redakteuren darum einen Aufschlag aufs Gehalt. Die anderen warten darauf, daß jemand klagt. – Noch nutzen freilich erst wenige die elektronischen Angebote und rufen zum Beispiel den Spiegel über CompuServe ab. Doch die Zahl der User steigt stündlich. Und ein Blick nach Amerika zeigt, daß der Markt schnell wachsen wird. Das Magazin Time wird pro Woche bereits von 50.000 bis 60.000 Lesern elektronisch abgerufen. „Wirtschaftlich geht es um nichts“, meint Spiegel-Justitiar Dietrich Krause trotzdem. Bei der digitalen Weiterverarbeitung handele es sich um „Peanuts“.

Die Woche ist auf allen Netzen präsent, außer bei den Datenbanken Genios und Lexis/Nexis – im Volltext und sogar mit allen Grafiken und Fotos – über Datex-J zu beziehen. Dabei handele es sich, so sagt man bei der Hamburger Wochenzeitung, nicht um einen Nachdruck, sondern lediglich um eine „andere Art der Archivierung“. Der Justitiar der Süddeutschen Zeitung, Peter Schuck, wiederum „analysiert derzeit“ noch die Rechtslage. Eines weiß er aber jetzt schon: Die digitale Verbreitung sei keine Zweitverwertung und müsse deshalb auch nicht noch einmal honoriert werden.

US-Gewerkschaft klagt – IG Medien spendet

Und die Zeitung, die Sie gerade lesen? taz-Geschäftsführer Karl- Heinz Ruch hält die digitale Weiterverbreitung von Texten und Fotos für „nicht regelbar“. Bei der taz-CD-ROM sei die Rechtslage „viel zu komplex“.

In den USA hat unterdessen gerade die National Writers' Union die New York Times und den Medienkonzern Time Warner auf Copyright-Zahlung für ihre freien MitarbeiterInnen verklagt. Die haben die renommiertesten und teuersten Anwaltskanzleien engagiert, um sich zu verteidigen, und sind offensichtlich bereit, Millionensummen für ein Grundsatzurteil zu investieren, das ihnen die alleinigen Rechte für das Zukunftsgeschäft beläßt. Die IG Medien hat der National Writers' Union 2.500 Dollar gespendet. Offenbar hofft man auf Wissenstransfer. Tilman Baumgärtel