Matthäus: "Ich kann klar denken"

■ In der neuen Ausgabe der Illustrierten "Bunte" gibt der kürzlich operierte Fußballspieler und "gläubige Franke" Lothar Matthäus Auskunft über seine Befindlichkeit und das große Buch, in dem alles geschrieb

Frage: Sind Sie am Ende, Lothar Matthäus?

Lothar Matthäus: Ein Lothar Matthäus gibt nie auf, auch wenn ihn das Schicksal noch so knüppeldick trifft, selbst wenn ich nach meiner Zystenoperation für weitere 4 bis 6 Monate ausfalle, bin ich felsenfest überzeugt, noch ein paar Jahre zu spielen. Beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft.

Woher nehmen Sie Ihre bemerkenswerte Zuversicht?

Aus dem großen Buch, in dem alles geschrieben steht.

Von welchem Buch sprechen Sie?

Ich bin gläubiger Franke, es ist das Buch des Schicksals. Da steht drin, daß ich Weltmeister würde. Daß ich einen Kreuzbandriß haben werde. Daß die Achillessehne reißt. Daß jetzt eine pflaumengroße Zyste herausoperiert werden muß. In diesem Buch steht jetzt geschrieben, daß Lothar Matthäus es wieder schafft.

Sie sind ein ehrgeiziger Hund.

Ich bin erst 34. Man muß sich die höchsten Ziele stecken, um etwas zu erreichen. Ich wäre nicht Lothar Matthäus, wenn ich meinen Kopf in den Sand stecken würde. Ich war der Kleinste in der Schule. Ich habe mich immer durchgebissen, immer durchbeißen müssen. So habe ich etwas erreicht. Manchmal ecke ich an. Passiert nun mal, weil ich kein Arschkriecher bin.

Wie hat Ihre Frau Lolita reagiert, als Sie ihr erzählten, daß Sie wieder unters Messer müssen?

Ich habe es ihr verschwiegen. Ich wollte sie schonen. Sie dreht fürs Schweizer Fernsehen eine neue tolle Abenteuerserie in Frankreich. Sohn Loris ist dabei. Sie hat enormen Streß. Und sie ist ehrgeizig wie ich, kämpft für ihre TV-Karriere. Wenn ich sie beunruhigt hätte, wäre vielleicht etwas schiefgelaufen. Ich habe sie erst vier Tage später informiert, als ich aus der Narkose aufgewacht bin.

Wie hat sie reagiert?

O mein Gott, das kann doch nicht wahr sein. Kopf hoch, Bébé, wir schaffen das.

Hat Berti Vogts angerufen?

Der weiß wahrscheinlich gar nicht, daß ich verletzt bin. Der ist in Australien. Er muß ja auch Urlaub machen. Er hat genügend Streß.

Sie mit ihm auch, weil er sie nicht für die Länderspiele in der Schweiz berücksichtigte.

Ein Schlag ins Gesicht war sein Satz: „Ich schenke Lothar Matthäus doch keine zwei Länderspiele.“ Das Vertrauen hat einen Riß bekommen. Einen Riß kann man aber kitten, wenn man sich wieder in die Augen guckt. Das ist üblich unter Männern.

Es heißt, Sie hätten kleine Probleme mit Bayerns neuem Superstar Jürgen Klinsmann.

Ich sage darüber nichts. Mir hat Klinsi nie was Böses getan. Ich bin immer die ehrliche Haut gewesen. Vielleicht habe ich mehr Kanten als er. Er ist wohl ein bißchen diplomatischer als ich.

Hat er eine Journalisten-Phobie?

Er erzählt ja, er und seine Debbie würden sich nicht so von den Medien vereinnahmen lassen wie Lothar und Lolita. O Klinsi, da wirst du in München dein blaues Wunder erleben.

Wird er der neue Leitwolf des FC Bayern, den 14 Bundesliga- Trainer als kommenden Meister tippen?

Ich gehe davon aus, daß Thomas Helmer Leitwolf bleibt. Er hat die Kapitänsrolle nach meiner Verletzung hervorragend ausgefüllt. Super, super, super hat er das über die Bühne gebracht.

Telefoniert der neue Trainer Otto Rehhagel mit Ihnen?

Vorgestern, gestern und heute. Otto sagt, daß ich nichts überstürzen soll. Das wichtigste Gut sei die Gesundheit. Die wünscht er mir, auf daß ich meinen Beruf wieder so ausüben kann wie vor meiner Verletzung: kerngesund und fit wie ein Pumaschuh.

Womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie so in der Klinik liegen?

Ich habe die Graf-Steueraffäre verfolgt. Ich war bestürzt. Ausgerechnet Steffi hat es erwischt, die doch immer gesagt hat, ich versteuere in Deutschland, weil ich stolz bin, Deutsche zu sein. Ich wünsche ihr, daß sie unbeschadet aus dieser Nummer rauskommt.

Was, wenn die diskreten Herren vom Fiskus in aller Herrgottsfrüh bei Ihnen am Starnberger See auftauchen?

Sie können jederzeit kommen, ich rolle den roten Teppich aus. Ich habe eine absolut weiße Weste, versteure jeden Pfennig in Deutschland, selbstverständlich auch die Sponsorengelder.

Welche persönlichen Gedanken kommen Ihnen im Krankenbett?

Daß es mir verdammt gut geht. Daß ich eine tolle Frau habe, einen wunderbaren Sohn, zwei prächtige Töchter. Dir schießen andere Bilder durch den Kopf, der Krieg in Bosnien, die verhungernden Kinder in den Dritte-Welt-Ländern, du siehst auf den Klinikgängen junge Menschen, die ihr Leben lang an den Rollstuhl gefesselt sind, du begegnest geistig Behinderten. Dir wird bewußt, wie gnädig das Schicksal mit dir ist. Ich kann klar denken, und in ein paar Wochen kann ich wieder laufen. Interview: Paul Sahner