■ Die kleine Breitseite – von Matthias Deutschmann
: Bonner Stallwachen

Das Sommerloch steht vor der Tür. Wo sind die Reizthemen? Steffis Steuer? Vergiß es! Korruption in deutschen Amtsstuben? Nichts genaues weiß man nicht! Was tun? Frankreich à la BamS den Käsekrieg erklären? („Frankreichboykott! Es tut schon weh!“) Monsieur le président, voulez vous de ranze voll? Oder sollen wir Jacques Chirac mit Stern-Postkarten bombardieren? Müßten wir Shell nicht schnell noch mal eins auf die Muschel hauen, weil die Brent Spar jetzt doch versenkt werden soll? Was macht der echte Krieg? Gibt Bosnien noch was her?

Die Woche bringt es an den Tag, eine Eliteeinheit von Prominenten wird mit der knallharten Frage konfrontiert: „Augen zu oder Eingreifen?“ Was, jetzt? Seit mehr als drei Jahren halten wir die Augen offen, lesen jeden Bosnienkommentar, freuen uns immer wieder, wenn die Leitartikler den Verlautbarungen der Bosnien-Kontaktgruppe auf den Leim kriechen. Kritisch versteht sich – denn kritisch macht die Affirmation am meisten Spaß.

Ja, ja, der vereinte Wille der Nationen will täglich neu ernst genommen werden. Für ein beherztes europäisches Eingreifen ist es jeweils noch zu früh, oder aber auch schon zu spät.

Wichtig ist der Zuwachs an deutscher Wichtigkeit. Kinkel, der noch gestern – ganz wilhelminisch – „Serbien in die Knie zwingen“ wollte, ist mittlerweile in Deckung gegangen. Ziehvater Genscher hat alles getan, um Bosnien anzuerkennen – Kinkel muß alles unterlassen, um Bosnien ernsthaft zu helfen.

Die Lage ist vertrackt. Was die deutsche Wirtschaft in Moskau investiert hat, kann sie in Sarajevo nicht einfach aus dem Fenster werfen. Solange jedenfalls Jelzin am Tropf hängt, ist es besser, auf deutsche Außenpolitik zu verzichten. Die Politik taucht ab, fragen wir also die Stallwache aus Prominenten: „Augen zu oder eingreifen?“ Fritz Pleitgen möchte, daß wir uns persönlich mit Spenden und Demonstrationen engagieren. Lothar de Maizière vertritt den Osten Deutschlands und ist „völlig hilflos“, da „was man tut, nur falsch sein kann“.

Überrascht hat mich der Dichter Rühmkorf: „Schon einige vier, fünf gutbezahlte Kugeln könnten sicher Wunder wirken.“ Seine Entschlossenheit steht im Konjunktiv – aus stilistischen Gründen? Namen werden nicht genannt (sie sind der Redaktion bekannt). Spendengelder wären auch aufzutreiben – bleibt nur die Frage, ob sich Herr K. von Herrn Rühmkorf nach Hamburg einladen läßt? Sollte Herr K. wider Erwarten sich nicht zu seiner Erschießung einfinden, müßte Herr Rühmkorf sich selbst auf den Weg ins Hauptquartier nach Pale machen. Aber wehe, er kriegt den Attentatterich und schießt daneben!

„Was tun?“ fragt sich auch Bild am Sonntag: „Kann man einer Organisation, die von Somalia bis Sarajevo für sinnlose Auslandseinsätze steht, wirklich deutsche Soldaten zur Verfügung stellen?“ Hier fragt ein Deutscher die Deutschen und gibt ihnen auch gleich die Antwort: „Wer ganze Völker im Stich läßt, der verheizt auch deutsche Soldaten.“

Ja, so sind wir: Deutsche Soldaten nur unter deutschem Befehl! Im deutschen Interesse. Wo aber liegt das? National Coming- out in Bosnia? Tornados oder Windbeutel? Die farce de frappe kann beginnen.