Grüne Heilsbringer

■ Greenpeace wird vom Heldenimage seit der „Brent Spar“ überwältigt

Hamburg (taz) – Herr Dr. G. aus Haan in Nordrhein-Westfalen versteht es sowenig wie Frau S. aus Hamburg und Herr L. aus Rott am Inn: Warum eigentlich, so fragen sie in der Hamburger Greenpeace- Zentrale an, beenden die Öko-Aktivisten nicht den Konflikt in Bosnien? Wer's derart heldenhaft mit der Atommacht Frankreich aufnimmt, scheinen sie zu folgern, müßte doch mal eben auch die Serben stoppen können. „Eine Frau zum Beispiel rief uns an“, sagte Herbert Becker von der Greenpeace-Telefonzentrale im ARD-Mittagsmagazin, „weil ihre Katze auf einem Baum saß und die Feuerwehr mit keiner Leiter herankam. Wir würden das doch bestimmt hinkriegen, meinte sie.“

Seit Ende Juni, als die Umweltschützer öffentlichkeitswirksam den Shell-Konzern in die Knie zwangen, rufen bis zu 650 täglich bei Greenpeace Hamburg an – mehr als doppelt soviel wie zuvor. Gezählt freilich nur die, die durchkommen. Immer mehr Anrufer wollen etwa wissen, was sie nun boykottieren sollen und was nicht, sie wollen ihre Erbschaft spenden oder sich gleich hier bewerben, als Führungskraft. „Die stellen sich dann als bewährte Kämpfer vor“, sagt Becker, „oder sie verweisen darauf, daß sie früher einmal U- Boot-Fahrer waren.“

Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode macht sich inzwischen echte Sorgen: „Wir bekommen in der Tat Anfragen, die reichen von privaten Problemen bis zu der Aufforderung, Kriege zu stoppen. Dabei haben wir schon Mühe, nur einen kleinen Teil der Probleme in der Umweltpolitik anzusprechen, für die wir eigentlich da sind.“ Natürlich bringe der Heldenmythos des Greenpeace-Davids im Kampfe gegen Goliath viele Sympathien und man setze auch bewußt auf Emotionen, räumt Bode ein. Mit Blick auf das steigende Spendenaufkommen melden sich sogar erste Anhänger, die das Solidaritätsprinzip umdrehen würden – und bitten um ein wenig Geld. Sie seien gerade knapp bei Kasse. Klaus Scherer