Abschiebung – alle Daten inklusive

■ Bonn liefert mit den Vietnamesen auch gleich private Daten nach Hanoi, die vietnamesischen Behörden erhalten einen „gläsernen Bürger“ zurück

Berlin (taz) – Wenn noch in diesem Jahr die ersten Vietnamesen von Deutschland aus nach Hanoi zurückgeschickt werden, dann liefern deutsche Behörden die asylrechtlichen Daten gleich mit. Diesen Schluß legen die bisher unveröffentlichten Durchführungsbestimmungen zu dem bilateralen Rücknahmeabkommen nahe, das am letzten Freitag zwischen der Bundesregierung und Vietnam geschlossen wurde. Die Bestimmungen, die der taz vorliegen, enthalten unter Artikel 5 ausführliche Bestimmungen zu Übermittlung, Empfang und Löschung der personenbezogenen Daten. Dazu sollen nicht nur Angaben zur Feststellung der Identität der Betroffenen zählen, wie etwa Name, Alter und Geburtsort, sondern auch Informationen über „Reisewege, Datum und Grund der Einreise sowie den Aufenthaltsort in Deutschland“. Unter „Grund der Einreise“ müßte dann in zahllosen Fällen das Stichwort „politisches Asyl“ vermerkt werden.

Welche sonstigen Daten die deutschen Behörden ihren vietnamesischen Kollegen übermitteln wollen, ist nicht festgelegt. Die Durchführungsbestimmungen sprechen jedoch von einer Übermittlung an unterschiedliche Behörden. Den Betroffenen sei auf Antrag über die zu ihrer Person vorhandenen Informationen sowie über den vorgesehenen Verwendungszweck Auskunft zu erteilen – vorausgesetzt, „das öffentliche Interesse“ stehe einer Pflicht zur Auskunftserteilung nicht entgegen.

Festgeschrieben ist, daß die deutsche Seite den vietnamesischen Behörden ärztliche Unterlagen über den Gesundheitszustand der Rückkehrer übermitteln will: „soweit vorhanden, im Rahmen der geltenden deutschen Datenschutzbestimmungen“. Nach den geltenden Datenschutzbestimmungen dürften ärztliche Unterlagen jedoch nur mit Einverständnis der Betroffenen weitergegeben werden.

Aus den Durchführungsbestimmungen geht weiterhin hervor, Vietnam habe sich ausbedungen, daß die Abschiebungen ausschließlich über den Flughafen in Hanoi abgewickelt werden. Dort sollen offenbar sämtliche Rückkehrer nach ihrer Ankunft einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden. Die Gelder für diese Untersuchungen, die auch ein Vorwand sein könnten, die Rückkehrer zunächst an einem Ort festzuhalten, sollen aus dem deutschen Entwicklungshilfetopf fließen. Die vietnamesische Regierung behält sich außerdem vor, die Identität jedes einzelnen Rückkehrers ausgiebig und wochenlang zu „prüfen“. Dazu sollen die deutschen Behörden zunächst eine Liste mit den Namen von maximal 350 Personen schicken, die abgeschoben werden sollen (Liste A). Ergibt die Prüfung, daß es sich dabei wirklich um vietnamesische Staatsbürger handelt, schickt Vietnam die Liste zurück (Liste B). Auf Grundlage der Liste B müssen die deutschen Behörden dann eine Liste C fertigen und spätestens vierzehn Tage vor Abflug nach Hanoi senden – ein aufwendiges bürokratisches Verfahren, mit dem die vietnamesische Regierung auf Zeit spielen kann.

Daß bis zum Ende dieses Jahres – wie vertraglich vereinbart – bereits 2.500 Vietnamesen „rückgeführt“ werden können, erscheint angesichts dieses Procederes äußerst fraglich. Durch die Identitätsprüfung hat Vietnam sich außerdem ein Auswahlverfahren ausbedungen: Bei unliebsamen Personen könnte sich einfach erweisen, daß sie gar keine vietnamesischen Staatsbürger sind. Vera Gaserow