Krebsfördernd schwimmen?

■ Chemiker der Bremer Uni warnt vor THM-Gift in Freibädern

Gesundheitssenatorin Tine Wischer versuchte gestern, die schwimmfreudigen BremerInnen zu beruhigen: Derzeit bestehe wegen der Trihalomethane (THM) in öffentlichen Schwimmbädern keine Gefahr. Vor zwei Tagen wurde bekannt, daß in Bremer Bädern der krebserregende Stoff hoch konzentriert vorkommt. Wolfram Thiemann, Professor für Chemie an der Universität Bremen, hat den Giftcocktail aus organischen Substanzen und Chlor analysiert und bundesweit Bäder untersucht.

taz: Herr Wiedemeyers von der Gesellschaft für öffentliche Bäder spricht von –Panikmache' ihrerseits. Was meinen Sie dazu?

Wolfram Thiemann: Herr Wiedemeier ist technischer Leiter und hat, milde ausgedrückt nicht ganz soviel Ahnung von wissenschaftlichen Sachen. Der betreibt seine Technik, ist damit überfordert und versucht das auf anderen Ebenen abzuwimmeln.

Bereits im letzten Jahr wurde eine Untersuchung gemacht.

Ja, damals haben sich die Verantwortlichen in Bremen wohl gedrückt, die waren alle nicht erreichbar.

Frau Dr. Zolondek sprach gestern in Buten & Binnen von der Luftkonzentration 20 Zentimeter über der Wasseroberfläche und sagte, daß dort die THM-Konzentration völlig ungefährlich sei. Ist das aussagekräftig? Beim Schwimmen habe ich meine Nase doch direkt über dem Wasser.

Ich kenne diese Messung, die stammt von uns. Das Einatmen von Luft ist aber nur ein Weg für die Giftstoffe, in den Körper zu gelangen. Ein zweiter ist z.B. das Verschlucken von Wasser, Kleinkinder sind dauernd am Prusten, aber auch Erwachsene. Man rechnet, glaube ich, pro Besucher ungefähr 50 ml Wasser. Das hat Frau Dr. Zolondek nicht erwähnt. Ein dritter Weg für diese Stoffe, in den Körper zu gelangen, ist die Haut. Diese Stoffe sind hautgängig. Daß das nicht erwähnt wird, liegt daran, daß es darüber keine Untersuchungen gibt.

Was soll man den nun der unsicheren Bevölkerung sagen?

Das ist schwierig. Man sollte sowohl die Verantwortlichen löchern, welche Technologie benutzt wird und ob es nicht an der Zeit sei, sich nach neuen Technologien umzusehen, die es gibt. Außerdem sollten die Badegäste die Techniker im Schwimmbad ruhig nerven und fragen, wieviel Chlor sie am Tag verbraucht haben. Das wäre dann schon ein ganz guter Hinweis darauf, wieviele Nebenprodukte enstanden sind. Je mehr Dreck im Schwimmbad ist, desto mehr muß gechlort werden.

Wie wirkt THM im Körper?

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind diese Stoffe krebserregend, fruchtschädigend und auch mutationsauslösend. Sie gehören nicht zu den starken krebserregenden Stoffen. Trotzdem sind sie aber zu vermeiden.

Wie können denn die Schwimmbadbetreiber versuchen, den Richtwert von 20 Mikrogramm einzuhalten?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine der technisch einfachsten, wäre bei Hochbetrieb die Frischwasserzufuhr zu erhöhen. Das ist aber auch ziemlich kostspielig. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Aktivkohlefilter vor dem Einlauf zu installieren, denn auch damit kann man den Dreck reduzieren. In Berlin hat man auf diese Weise hervorragende Ergebnisse erzielt. Man könnte aber auch auf andere Chemikalien umsteigen, z.B. auf Ozon. Der Vorteil ist, daß es so gut wie keine dieser Nebenprodukte bei der Ozonisierung gibt. Der Nachteil ist, daß Ozon langsamer desinfiziert, es braucht zwei Minuten, um die Keimzahl um 10.000 zu verringern, Chlor nur 30 Sekunden. Ich halte diesen Hygienefimmel aber für übertrieben, denn wenn es so kritisch wäre, in nicht desinfiziertem Wasser zu schwimmen, dann dürfte man auch nicht in einem Baggersee oder in der Nordsee schwimmen gehen.

Würden Sie denn der Bevölkerung empfehlen, nicht im Horner Bad schwimmen zu gehen?

Ich würde Schwangeren, Kleinkindern, Gebrechlichen nicht empfehlen, ins Horner Bad zu gehen. Für gesunde Erwachsene, die vielleicht ein bis zweimal die Woche schwimmen gehen, ist das nicht so tragisch. Wir brauchen also nicht in Hysterie zu verfallen, aber risikogefärdeten Gruppen würde ich es nicht empfehlen.

Fragen: Judith Proffe