Der Campus-Funk

■ Kaum ist Uni-Radio in NRW und anderswo möglich, da streiten sich Uni-Leitung und Studenten, wer die Lizenzen bekommt

Als Ulrich Wickert in den fünfziger Jahren nach einem Auslandssemester in Paris an seine Alma Mater in Bonn zurückkehrte, brauchte er eine tolle Idee mit: Campus-Radio, einen Sender von und für Studenten. Den gab es damals schon in Frankreich, und Wickert wollte in Bonn auch so eine Radiostation ins Leben rufen. Doch das Universitätsrektorat untersagte das: Sonst müßte sich ja jeder Student ein Radio kaufen!

Inzwischen ist in Nordrhein- Westfalen einiges Wasser den Rhein heruntergeflossen. Die meisten StudentInnen haben ein Radio, einige neue Radiosender wurden gegründet und ein Landesrundfunkgesetz beschlossen. Nach der letzten Änderung dieses Gesetzes hätte Wickert wieder eine Chance: Seit dem 24. April dürfen Unis und FHs „Sendungen veranstalten und verbreiten, die in funktionellem Zusammenhang mit den von den Hochschulen zu erfüllenden Aufgaben stehen“.

Die zuständige Landesanstalt für Rundfunk (LfR) soll ihnen die Lizenzen „in einem vereinfachten Zulassungsverfahren“ für vier Jahre erteilen. Dann können sie entweder einen Campus-Sender betreiben (der sogenannte „Kleine Hochschulrundfunk“) oder auch landes- und bundesweit ein Radio- oder Fernsehprogramm anbieten“ („Großer Hochschulfunk“).

Völlig in den Sternen steht allerdings bislang die Finanzierung: Als einzige Geldquelle nennt das Landesrundfunkgesetz Sponsoring. Werbung ist nicht erlaubt, und von anderen Geldgebern ist nichts zu erwarten: Die Unis sind chronisch pleite, das NRW-Wissenschaftsministerium hat ebenfalls nichts zu verschenken, und auch der Vorschlag, daß die Landesmedienanstalt einen Teil ihres Budgets an die Uni-Radios weitergeben könnte, wurde mit Hinweis auf die „ständig zunehmenden Aufgaben“ abgelehnt.

Da die Campussender terrestrisch verbreitet werden und ins Kabel „nur nachrangig“ eingespeist werden sollen, muß in den meisten Städten auch noch eine Radiofrequenz gefunden werden. Dieses Verfahren ist kostspielig: Bis zu 10.000 Mark veranschlagt die Deutsche Bundespost für die Frequenzsuche. Unklar ist auch noch, wer sich um eine Lizenz bewerben kann: Ist es die Uni-Leitung, oder können sich Studierende einen eigenen Sender lizenzieren lassen? Der Grund: Der veränderte Passus des Landesmediengesetzes wurde mit heißer Nadel gestrickt und von SPD-Mediensprecher Jürgen Büssow überstürzt durch den Landtag gepaukt.

Bei einer Veranstaltung der LfR in Düsseldorf zum Thema „Uni-Radio“ zeigte sich kürzlich, daß die Konflikte zwischen studierenden und Uni-Leitung vorprogrammiert sind. Der Korektor der Universität Bonn kündigte unter lautem „Buh“ der StudentInnen an, man würde „sofort den Rechtsweg beschreiten“, wenn außer der Universitätsleitung irgendeine Hochschulgruppe eine Radiolizenz beantragen würde.

In Düsseldorf bahnt sich die erste Auseinandersetzung über einen Campussender bereits an: Schon seit 1991 produziert die „Uni-Radio-Gruppe“ regelmäßig Radiosendungen, die im Bürgerfunk des Lokalsenders „Antenne Düsseldorf“ ausgestrahlt werden. Seit April arbeitet man an einem Konzept für einen Campussender, für den man sogar schon Sponsoren gefunden haben will. Um so größer war da die Überraschung, als Gert Kaiser, Rektor der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, im Juni bei einer Pressekonferenz mitteilte, daß die Uni-Leitung einen eigenen Fernseh- und Radiosender plane. Die Studenten waren von dem Alleingang nicht informiert worden und fühlten sich übergangen. Schließlich hatten sie seit vier Jahren ehrenamtlich und ohne nennenswerte materielle Unterstützung der Uni Radio gemacht.

Für den Campussender planten die StudentInnen eine Mischung aus Musikprogrammen und Uni- interner Information, während Rektor Kaiser über seinen Campussender Vorlesungen, Kolloquien und andere akademische Veranstaltungen als Ohrenschmaus in die Institute und Studentenwohnheime übertragen will.

Noch wirklichkeitsferner sind die Fernsehpläne des Altgermanisten: Ohne nennenswerte Mittel (wieder ist von den berühmt-berüchtigten Sponsoren die Rede) will man einen wissenschaftlichen Spartensender veranstalten, der die wißbegierige Bevölkerung bundesweit mit „Wissenstransfer“ versorgen will. Spartensender und gescheiterte „informationsorientierte Vollprogramme“ verstopfen freilich schon in den meisten Bundesländern das Kabelnetz. So ist bei Uni-TV weder Verbreitung noch Programmangebot geklärt: Die „150 Videos zum Thema Urologie“, mit denen sich ein Professor der Medizin bei der Pressekonferenz schmückte, werden wohl kaum ein Massenpublikum locken. Tilman Baumgärtel