Das Portrait
: Befreiungsfotograf

■ George Rodger

Daß die Kamera „nie lügt“, war sein Glaubensbekenntnis. Doch die Fotografie als Zeugnis der Realität sollte für George Rodger zur größten Belastung werden – 1945 war der am Montag im Alter von 89 Jahren verstorbene Fotograf und Mitbegründer der berühmten „Magnum“- Bildagentur dabei, als die Briten das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten. Von ihm stammen die Bilder der Leichenhalden, in denen Offiziere nach Überlebenden suchen, und der vor den Lagerbaracken notdürftig in Felddecken eingewickelten toten Frauen, an denen die Geretteten verstört und doch gefühllos vorübergehen.

Siebzig Jahre lang sah der 1908 im englischen Cheshire auf dem Land geborene Rodger die Wirklichkeit durchs Objektiv. Als er 1927 zur Handelsmarine ging, nahm er bereits seine Kamera mit auf Weltreise, danach blieb er für ein paar Jahre in Amerika hängen und wurde Mitte der dreißiger Jahre Standfotograf beim BBC-Fernsehen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Rodger Berichterstatter des Life-Magazins, wohl auch in der festen Überzeugung, daß seine Reportagen den Krieg von England abwenden könnten: „Ich hatte das Gefühl, ich könnte tatsächlich einen kriegsentscheidenden Beitrag leisten, indem ich Millionen von Life-Lesern vor Augen führte, unter welchen Bedingungen Großbritannien, das ja von einer Nazi-Invasion bedroht war, zu leben hatte. Wir brauchten dringend amerikanische Hilfe – Kriegsmaterial, Treibstoff, Nahrungsmittel, Geld. Mit meinen Bildern konnte ich nicht nur demonstrieren, wie sehr wir sie benötigten, sondern auch in welcher Weise wir sie verwendeten, wenn wir sie bekamen.“

George Rodger, 1941 Foto: Archiv Reuter

Drei Jahre später war Rodger in Bergen-Belsen, und das, was er sah, ließ ihn am Bilder-Idealismus, den seine Fotos zu Kriegsbeginn noch transportiert hatten, zweifeln. Wo sich selbst der Schrecken als ästhetisch geordnetes Bild formen ließen, schien ihm die authentische Darstellung der Wirklichkeit um ihren Wahrheitsgehalt gebracht.

Nicht von ungefähr wurden zur gleichen Zeit die Fotografien seines Freundes Robert Capa als „die besten Bilder von der Front“ honoriert; im Begleittext der englischen Picture Post stand: „Man kann fast das Pulver riechen.“ Wie sich später herausstellte, war sein berühmtes Foto eines sterbenden Spanienkämpfers aus einer ganz anderen Situation entstanden. Statt zu stürzen, richtete sich der abgebildete Mann wieder auf. hf