„Adam's Rippen“ und „Süße Sünde“

Die Bündnisgrünen halten den Gotteslästerparagraphen für ein unsinniges Relikt aus dem Jahre 1871 und wollen ihn deshalb ersatzlos streichen  ■ Aus der Kneipe „Wojtyla“ im erzkatholischen Köln Karin Nink

Im Vorhof zur Hölle kann es nicht heißer sein als in der „katholischen Raststätte“ Kölns, dem „Wojtyla“. Dorthin hatte es die Bündnisgrünen gedrängt, um ihre neueste Gesetzesinitiative vorzustellen. Dank des Sommerlochs hocken hier nun zahlreiche Journalisten bei fegefeuergleichen Temperaturen auf unbequemen Büßerstühlchen und lauschen schwitzend der Verkündigung Volker Becks. Nur „flüssiges Manna“ und ein göttliches Abendmahl mit „Adam's Rippen“ und „Süßer Sünde“ verspricht Linderung.

Das Ambiente ist mit Bedacht gewählt. Beck will zeigen, um was es geht. Schließlich droht auch die nach Papst Johannes Paul II benannte Kneipe, Opfer des Paragraphen 166 des Strafgesetzbuches zu werden. Denn Paragraph 11 stellt die „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften“ unter Strafe. Und dies will Volker Beck nun abschaffen.

Denn in der gerichtichen Praxis stehe der Paragraph trotz der Reform im Jahre 1969 in der Tradition des alten Gotteslästerungsparagraphen von 1871, meint er. In einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft sei dies keine angemessene Reaktion auf Kritik und Satire.

Viele werden wegen „Religionsdelikten“ zwar nicht bestraft; 1992 traf es 17 Menschen. Aber das lästige Gesetz schränke trotzdem die Meinungs- und Kunstfreiheit ein. Und vor beschämender Kritik könnten die Religionsgemeinschaften sowieso durch die Strafbestimmungen gegen Individual- und Kollektivbeleidigung geschützt werden, meinte der rechtspolitische Sprecher der Bündnisgrünen.

In der Kulisse grellbunter Kirchenfenster, verziert mit feuerroten Herzen und einer Muttergottes mit einem Klapperstorch auf dem Arm, beschreibt Volker Beck so manchen durch das Gesetz verursachten Leidensweg: Einer davon begann im Kölner Karneval 1994. Damals hing in der alternativen Stunksitzung ein Kruzifix, das anstelle des „INRI“ ein „Tünnes“- Schild trug (für Nicht-Kölner: Tünnes ist die Symbolfigur für kölsche Bodenständigkeit und Witz). Ein Kölner Anwalt fühlte sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt und ließ das corpus delicti sofort beschlagnahmen. Dem Anarcho- Jecken blieb nur der Christus am Kreuz, den er mit der Inschrift: „Welcher Tünnes hätt dat Schild?“ schmückte.

Im selben Jahr beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft einen angeblich gotteslästernden Comic, der im Schaufenster einer Kölner Galerie hing. Der Kunstdruck zeigt eine Nonne, die dem gekreuzigten Jesus in den Lendenschurz lugt. Auch dieses Verfahren endete, wie das des Anarcho-Jecken mit einem Freispruch.

Das „Wojtyla“, das mit der „Träne Christi — ein Wodka der besonderen Art“ und dem „Roten Kardinal — ein Cocktail mit spirituellen Ingredienzen“ lockt, hat seit eineinhalb Jahren ein Ermittlungsverfahren am Hals. Dabei will Wirt Michael Barg „wirklich niemanden beleidigen“, sondern nur „spielerischen Umgang mit der Kirche“ pflegen.

Alle Betroffenen wollen die Bündnisgrünen nun erlösen. Gestern brachten sie ihren Gesetzentwurf im Bundestag ein, der angesichts der Mehrheitsverhältnisse allerdings wenig Aussicht auf Erfolg hat. Beck: „Unionspolitiker werden doch das Kreuz schlagen.“