„Wir haben uns zurückgezogen“

■ Shell behauptet, nichts mit der Unterdrückung der Ogoni zu tun zu haben, hat aber jahrelang davon profitiert

Sollte die britische Regierung nicht die Klappe halten, dann würde der britisch-niederländische Shell-Konzern womöglich verstaatlicht werden, drohten die nigerianischen Militärs vor kurzem. Sie übersahen dabei, daß sie längst viel abhängiger von Shell sind als der Konzern umgekehrt vom nigerianischen Öl. Shell fördert in Nigeria 14 Prozent seiner weltweiten Ölproduktion. Die nigerianische Regierung hängt aber zu mindestens achtzig Prozent von den Öleinnahmen ab; die Hälfte davon erwirtschaftet Shell.

In der Delta-Region des Niger erinnern riesige Flammen abgefackelten Gases, ein Netz von Pipelines und Hunderte Bohrtürme an Kuwait – gäbe es da nicht zwei Unterschiede: Die schmutzige Ölindustrie steht inmitten von äußerst dicht besiedeltem Ackerland. Und die Bevölkerung ist bettelarm. Die Bewohner des Dorfes Oloibiri, in dem 1958 die erste nigerianische Ölförderanlage errichtet wurde, leben wie Flüchtlinge neben den stillgelegten Anlagen; Ackerland und Fischgründe, ihre Lebensgrundlagen, sind zerstört.

Des „Genozids an meinem Volk“ bezichtigte der inzwischen inhaftierte Schriftsteller Ken Saro- Wiwa, Führer der Ogoni, einer der acht Minderheiten im Niger-Delta, den Konzern. Proteste blieben nicht aus. So gingen Shell allein bei einer zwölftägigen Belagerung eines Ölfeldes durch aufgebrachte Dorfbewohner im Jahr 1993 42.000 Barrel Öl verloren – macht 800.000 Dollar. In solchen Fällen holte Shell die Polizei – „was würden Sie tun, wenn Ihre Arbeiter und Anlagen bedroht sind?“ fragt ein Shell- Sprecher.

Daß die Polizei-Truppe im Delta als „kill and go“ bekannt ist und diesem Namen Ehre macht, dafür könne Shell ja schließlich nichts, so der Sprecher weiter zur taz. Tausende von Ogoni sind bei Militär- und Polizeiüberfällen ums Leben gekommen, mindestens 2.000 seit 1993; über 30.000 sind obdachlos geworden.

Mit diesem Krieg habe Shell nichts zu tun, das sei schiere Politik, wehrt der Shell-Sprecher ab. Nach den nigerianischen Gesetzen sei Shell, das zwar Betreiber des Öl-Gemeinschaftsunternehmens mit dem staatlichen nigerianischen Ölkonzern ist, dem aber nur 30 Prozent davon gehören, sogar verpflichtet, die Polizei zu holen, wenn Anlagen bedroht sind. „Wir haben ausdrücklich betont, daß wir Gewalt nicht gutheißen.“ Weiter könne man sich in die Politik nicht einmischen. Genau das aber fordern Menschenrechtler von dem Konzern, von dem die Militärdiktatur finanziell abhängig ist.

Vor zwei Jahren hat Shell sich nach eigenen Angaben vollständig aus dem Ogoni-Land zurückgezogen – wegen der Bedrohung, der sich Shell-Arbeiter ausgesetzt sahen, so die offizielle Begründung. Die mörderische Unterdrückung der Ogoni, die immer noch für Entschädigungen und ein ökologisches Aufräumen ihres Landes kämpfen, geht aber weiter. Die Shell-Produktion in anderen Gebieten des Niger-Deltas ebenfalls. Nicola Liebert