■ Das nigerianische Militärregime reagiert auf Kritik aus dem Ausland mit verschärfter Repression und will angeblich in den nächsten Tagen Oppositionelle hinrichten. Eine Demokratisierung wird es unter dem Abacha-Regime nicht geben
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Das nigerianische Militärregime reagiert auf Kritik aus dem Ausland mit verschärfter Repression und will angeblich

in den nächsten Tagen Oppositionelle hinrichten. Eine Demokratisierung wird es unter dem Abacha-Regime nicht geben

Mit Öl in den Abgrund

Das nigerianische Militärregime unter General Sani Abacha will in diesen Tagen mehrere Todesurteile an Zivilisten und Militärs vollstrecken, die am 1. März angeblich einen Putsch gegen die Junta geführt haben sollen. Das meldete gestern morgen der britische Sender BBC mit Berufung auf inoffizielle Quellen. Damit würde das Regime endgültig auf Konfrontationskurs mit der internationalen Gemeinschaft gehen, die in den vergangenen Wochen die Aussetzung der Urteile gefordert hatte und mit Sanktionen drohte.

Unter den in einem Geheimprozeß Verurteilten befinden sich auch der nigerianische Ex-Präsident Olesogun Obasanjo, zu lebenslanger Haft verurteilt, und sein damaliger Stellvertreter Yar'Adua, dem die Todesstrafe droht. Beide hatten sich für die Demokratisierung des Landes stark gemacht. Das Regime von General Sani Abacha, seit 1993 an der Macht, führte mit der Verurteilung einen neuen Schlag gegen die Opposition: die wichtigsten Oppositionsführer sind entweder verhaftet oder im Exil. Eine friedliche Übergabe der Macht an eine zivile Regierung ist damit in weite Ferne gerückt.

Obansanjo und Yar'Adua hatten als Teilnehmer einer Verfassungskonferenz die Machtübergabe an eine zivile Regierung zum Jahreswechsel 1996 gefordert. Nach ihrer Verhaftung zeigte sich die Konferenz – offensichtich unter Druck des Regimes – unfähig, dem Regime einen Wahltermin vorzuschlagen. Abacha will diesen Termin erst im Oktober verkünden – ein Zeichen dafür, daß er die Commonwealth-Staaten noch rechtzeitig vor ihrem Treffen im November besänftigen will.

Im Juni 1993 war der letzte Versuch eines friedlichen Machtwechsels zu einer Zivilregierung gescheitert. Der damalige Machthaber, General Ibrahim Babangida, hatte die als demokratisch eingeschätzte Wahl, bei der Moshood Abiola als Sieger hervorging, annulliert. Im November übernahm dann Abacha das Ruder. Als sich am ersten Jahrestag der annullierten Wahl Abiola zum legitimen Wahlsieger erklärte und die Absetzung des Regimes forderte, wanderte er sofort ins Gefängnis.

Daraufhin formierte sich im 115-Millionen-Volk eine breite Widerstandsbewegung. Ein monatelanger Streik unter anderem der Ölarbeiter beschleunigte den wirtschaftlichen Niedergang des westafrikanischen Staates, der mit 35 Milliarden Dollar verschuldet ist. Der Streik wurde massiv unterdrückt. Den letzten Schlag gegen die Opposition, die ihren Widerstand gegen das Regime innerhalb der Nadeco (National Democratic Coalition), Sammelbecken für 40 Oppositionsgruppen, artikuliert hatte, führte Abacha zum zweiten Jahrestag der annullierten Wahl aus: Im Juni dieses Jahres verhaftete die Junta die letzten namhaften Oppositionspolitiker – viele, etwa Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, hatten Nigeria jedoch schon zuvor verlassen.

Die heutige Schwäche der Opposition beruht nicht allein auf der Repression durch Abacha, sondern auch auf dem traditionellen Nord-Süd-Konflikt in Nigeria: Von jeher bestimmen Animositäten zwischen dem muslimischen Norden – der bislang alle Präsidenten seit der Unabhängigkeit 1960 stellte – und dem ölreichen, christlichen Süden die Politik. Abiola, der aus dem Süden des Landes stammt, hatte zwar einen breiten Rückhalt bei der Bevölkerung. Die Militärs jedoch rekrutieren sich vor allem aus dem muslimischen Norden, wo Abacha von einflußreichen konservativen Kräften gestützt wird.

Heute sind die wichtigsten Regimekritiker mundtot gemacht. Die diesen Monat angekündigte Wiederzulassung von Parteien und drei wichtigen Pressegruppen erscheint darum als Pseudoreform. Trotz der Repression haben Menschenrechtsgruppen am Dienstag ein vierseitiges Gnadengesuch in einer nigerianischen Zeitung veröffentlicht. Die Todesurteile könnten so Ausgangspunkt für eine neuerliche Widerstandsbewegung im Lande werden.

Weil die Opposition im Lande zu schwach ist, hoffen viele in Nigeria auf Unterstützung von außen. In London und Washington wird bereits überlegt, Konten von Angehörigen des Regimes im Ausland – auf 10 bis 35 Milliarden Dollar geschätzt – zu sperren.

Doch sind gerade Wirtschaftssanktionen, die das Regime an seiner wichtigsten Geldquelle, den Öleinnahmen, treffen würde, wahrscheinlich? Zwar weiß die internationale Gemeinschaft, daß Nigeria mit Abacha keinen demokratischen Weg einschlagen wird. Aber andere machtvolle Gruppen könnten etwa die US-Regierung oder Großbritannien von Sanktionen abhalten: Bereits im März haben die amerikanischen Konzerne Mobil und Chevron die amerikanische Regierung vor Ölsanktionen gewarnt. Daniel Stroux