„Sie sind ja gar kein Deutscher!“

■ 25 Jahre lang war er Deutscher. Jetzt muß Georgios Chatzimarkakis, Mitglied im Bundesvorstand der FDP, seinen Paß abgeben.

Bonn (taz) – Ein Vierteljahrhundert lebte Georgios Chatzimarkakis unbehelligt in der Bundesrepublik und begann als deutsch-griechischer Doppelstaatsbürger eine aussichtsreiche politische Karriere. Nun entschieden Bonner Bürokraten: Der Jungpolitiker und angehende Doktor der Politikwissenschaft war all die Jahre gar kein deutscher Staatsbürger. Den 29jährigen forderten sie auf, seinen deutschen Paß zurückzugeben. Das geltende Staatsbürgerrecht stammt bekanntlich aus der Kaiserzeit. Die Slalomfahrt des Deutschgriechen zwischen den absurden Bestimmungen begann, als Chatzimarkakis sich zur Heirat entschloß: Im Standesamt Bonn verlangte eine Beamtin angesichts des fremd klingenden Namens einen Staatsbürgerschaftsnachweis.

Der Sohn einer Deutschen und eines Kreters machte sich auf die Suche nach einem Dokument, das seine Einbürgerung belegen sollte. Bis dahin war der gebürtige Duisburger selbstverständlich davon ausgegangen, daß er Deutscher sei. Bis 1974 galt allerdings die Regel, daß Kinder mit einem ausländischen Elternteil nicht eingebürgert wurden. „Sie können gar kein Deutscher sein!“ hörte Chatzimarkakis im Zuge seiner Nachforschungen deshalb von einem Beamten im Innenministerium.

Der Ministerialbeamte lag richtig, wie sich nun herausstellte. Zunächst ging die Ausländerbehörde noch davon aus, Chatzimarkakis sei auf dem Gnadenweg zum Deutschen geworden, weil die griechischen Behörden die in Deutschland geschlossene Ehe seines Vaters nicht anerkannt hätten und der Sohn deshalb staatenlos geblieben wäre. Als dann aber aus Duisburg die Akten nach Bonn geschickt wurden, entdeckten die Bürokraten auf der Rückseite eines Formulars noch ein Hindernis: Der Vater des Politikers hatte seinen Sohn nachträglich in Griechenland legalisiert. Damit wurde das Kind 1970 zum Griechen. Grund genug für gründliche deutsche Beamte, ihm die deutsche Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen: Die Einbürgerung wurde rückgängig gemacht, die Entscheidung aber versehentlich nicht an andere Behörden weitergeleitet.

Mit seinem „falschen“ Paß machte Chatzimarkakis nicht nur politische Karriere. Er leistete auch Zivildienst beim Arbeiter-Samariter-Bund und kam damit seiner „falschen“ Wehrpflicht nach. Im vergangenen Jahr kandidierte er auf aussichtsreichem Listenplatz für die (von der FDP verlorenen) Europawahlen. Vor wenigen Wochen wählten die Liberalen auf dem Parteitag von Mainz den Jungpolitiker auch noch in den Parteivorstand.

Dem Gremium kann Chatzimarkakis nach dem Parteiengesetz auch als Grieche weiter angehören. Seine für Mitte August angesetzte standesamtliche Hochzeit mit einer Bonnerin muß er allerdings verschieben. Eine Einbürgerung dauert mehrere Monate. Als Grieche kann er zwar nun das Aufgebot bestellen, muß aber aus Kreta eine „Ehefähigkeitsbescheinigung“ beibringen. Da das ebenfalls dauert, muß das Paar seine Lebensplanung ändern. Chatzimarkakis: „Die Braut weint.“

In seinen politischen Zielen ist der Liberale allerdings auf drastische Weise bestärkt worden: „Der hanebüchene Fall zeigt, welcher Geist im deutschen Staatsbürgerrecht herrscht. Das muß dringend reformiert werden.“ Hans Monath