■ Soundcheck
: Michelle Shocked / Heimlich Maneuver

Gehört: Michelle Shocked. Am Nachmittag hatte Michelle Shocked bei der VH-1-Moderatorin Susanne Reimann auf dem Sofa gesessen und zu offen gedroschenen Akkorden auf einer elektrisch verstärkten Gitarre eine zornig gesungene Geschichte in das Fernsehstudio geschleudert. Am Abend begann Shocked ihren Auftritt mit einem Blick, als könnte sie sich jeden Moment auf die Knie fallen lassen, um kräftig in die Bühnenbretter zu beißen und so herauszufinden, wer von beiden härter ist. Vor Jahren ließen ein paar Enthusiasten ihre am Lagerfeuer aufgenommenen Lieder auf Platte pressen. Am Mittwoch schlugen Shockeds Gitarrensaiten scheinbar auf die Sängerin zurück. Die hatte sich vorgenommen, mit Liedern ein paar Luftlöcher für einige Portionen Angriffslust herzustellen. Shocked rappelte sich auf oder besser durch ihren Set, aufbruchszornig und on the edge. Die mitgebrachten Hothouse Flowers hängten sich vorsichtig an ihre Leadstimme dran, trugen hier zaudernde Background-Vocal-Klebe auf und gaben dort ein wenig abgrenzungsfreien Hammond-Orgel-Tran dazu. Machte aber nix, weil Shocked in einer Art Zickzackbreschenkurs die Vorgeschichte dieses Abends heruntersang: Tourleben, Aufbruchszorn und Irrtümer, die sich wochenweise auswachsen. Misthaufen, denen man einen guten Tag wünscht, und Hängercliquen, vor denen man untrainiert im Dauerlauf auf und davon stieben muß. Schließlich das Erlebnis, gleichzeitig nett und fertig zueinander zu sein. Michelle Shocked ist jemand, dem man es wahrscheinlich nicht immer gleich anmerkt, daß sie einen sehr guten Tag hat.

Kristof Schreuf

Heute: Heimlich Maneuver. „Manche vermissen den Beat“, berichtet Carsten Dane über die Reaktionen von Hörern auf die von ihm und dem Trompeter Gunnar Schmidt als Heimlich Maneuver eingespielte Platte Mono No Aware. Das Duo arrangierte originelle ruhige Stücke und ein paar Konservatoriums-Mätzchen, welche einzelnen Klängen viele Ganztakte Platz einräumen. Die ganz ohne Schlagzeug bestrittene Musik bestätigt tatsächlich nur bei flüchtigem Hören die im obigen Zitat anklingenden gängigen Vorurteile: Bei Abwesenheit einer zisselnden Hi Hat oder einer die Zwei und die Vier im Takt niederstreckenden Snare Drum fühlen sich Publiken aufgefordert, Szenen für einen noch nicht gedrehten Film zu imaginieren, an zu kunstvolle Kunst zu denken oder gar an Esoterik. Der Pianist Dane und der Trompeter Schmidt streben aber nicht die tausendunderste „Änderung der Hörgewohnheiten“ an. Heimlich Maneuver graben lieber eine fremde und lustige Welt an. Diese Welt produziert Nachrichten und läßt von ihnen Klänge übrig. Die Arbeit von Heimlich Maneuver besteht nicht darin, den Nachrichten Pendants aus Musik zurechtzubasteln, sondern es hörbar zu machen, wie es wäre, wenn sich diese Nachrichten in die Musik hineinstreckten. Dabei fällt dann schon mal eine „Chronology“ der Ereignisse aus der „Avenue Gallieni“ (Stücktitel) an. Die Reisser-Reportage vom „Choking Victim“ wird im schnellsten Medium, dem „Radio n.n.“, übertragen. Nur die Liner Notes des Albums pochen auf die ältliche Vorstellung, daß Musik vor allem für Bilderfluten in den Köpfen von Hörern und Machern sorgen soll. Dane und Schmidt verzichten aber auf lyrische Angeberei und lassen es bei der heutigen Plattentaufe (Dane) knacken.

Kristof Schreuf

Westwerk, 19 Uhr