Kommentar
: Lust an der Macht

■ Scherfs Abschied von der Sozialpolitik

Elf Jahre lang war Henning Scherf Sozialsenator. Erst drei Wochen ist er Chef der Landesregierung, doch schon hat er die alte Rolle ganz weit hinter sich gelassen und begonnen, die neue auszuspielen. Gegen den versammelten Widerstand der SozialpolitikerInnen von SPD und CDU will sich Scherf im Bonner Vermittlungsausschuß auf Kompromißsuche zwischen Waigels Sparposition und dem Wahlkampfbeschluß der SPD-Bundestagsfraktion in der Frage des steuerfreien Existenzminimums begeben.

In der sozialpolitischen Sache hat er damit so unrecht, wie ein Sparpolitiker nur unrecht haben kann. Das muß sich Scherf jetzt nicht zuletzt von seinem jahrelangen politischen Weggefährten und zweitem Mann im Sozialressort, Hans-Christoph Hoppensack vorhalten lassen. Selbst 13.000 Mark wären noch weniger als das Existenzminimum, das das Bundesverfassungsgericht als Steuerfreibetrag gefordert hatte.

Was Scherf jetzt antreibt, das ist kein Sachargument. Zehn lange Wedemeier-Jahre hat der Lange darauf gewartet, sein politisches Talent endlich ausspielen zu können. Unglaubliche Energie entwickelt er, seit er es nun kann, und für die ist Bremen viel zu klein. An der Waage zwischen CDU-Regierung und SPD-Mehrheit im Bundesrat spielt zur Zeit die Musik. Und dahin zieht es Scherf mit Macht – aus Lust an der Macht. Dirk Asendorpf