Weg ist der Ball, einsam steht das Tee

Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält (VIII): Ball und Keule – das edle Golfspiel  ■ Von Albert Hefele

Um was es beim Golf geht? Nun ja, die Meinungen sind geteilt. Die einen sagen, man muß so einen winzig kleinen Ball mit einer Art Keule über die Wiesen prügeln, bis er in einem ebenso kleinen Loch verschwindet. Andere sind der Meinung, der Golfsport bestehe darin, in einem elektrisch betriebenen Wägelchen idyllisch umherzuschnurren. Man plaudert miteinander und zeigt sich gegenseitig die neuen karierten Hosen.

So einfach ist es nicht, das Golfspiel. Sondern ein durchaus ernstzunehmender Sport, bzw. wird von nicht wenigen durchaus ernst genommen. Harry Valérien. Franz Beckenbauer. Immerhin ein Mann, der ganz passabel Fußball gespielt hat. Alter schützt vor Torheit nicht. Im Gegenteil. Gerade, wenn man schon einiges an Jahren auf dem Buckel hat, ist das kein Hindernis, um den kleinen Ball zu schlagen. Man muß nicht mehr zwanzig sein und kann trotzdem wichtigtun: von wegen „Sportskanone“ und „noch nicht zum alten Eisen...“

Junge Menschen, die auch gerne möchten, werden von der Altersriege listig abgedrängt. „Im Golfsport ist die Erfahrung das Wichtigste“, wird behauptet. Die Jugend muß reifen und sich hochdienen. Dazu hat man den Job des „Caddie“ erfunden. Meistens etwas rundliche Menschen, die die riesigen Taschen der erfahrenen, alten Golfspieler tragen oder mittels eines kleinen Schiebekarrens fahren müssen. Der Caddie ist ein Relikt aus den guten, frühen Tagen des Golfsportes. Damals konnten nicht Krethi und Plethi über das Green trampeln, sondern nur Lord'n'Countess und so weiter und so fort. Denen ist es natürlich nicht im Traume eingefallen, ihre Keulen eigenhändig zu tragen. Wo sind wir denn? Man nahm sich also aus dem Bestand des niedrigen Personales irgendeinen Tölpel, der zu nichts sonst gut war, und ließ ihn die Tasche schultern. Später durften solche dann auch noch das Fähnchen aus dem „Hole“ nehmen, wenn's ans Einlochen ging. Nicht gerade ein Top-Job, wie man sieht. Heutige Caddies sind da von ganz anderem Kaliber. Wichtige Berater des Meisters, heißt es. Sei ihnen gegönnt; die Tasche müssen sie nach wie vor schleppen.

Der Spieler himself hat auch keine Hand frei. Er muß schließlich das Stöckchen führen. Beidhändig. Eine Hand am Griff, eine weiter unten. Alles muß unbedingt und absolut genau stimmen. Beinstellung, Schulterhaltung, Daumenwinkel, Beinspreize, Ohrenstellung. Was weiß ich. Man wird den Eindruck nicht los, daß dieses Spiel etwas ist für Wichtigtuer. Irgendwie ist alles falsch dimensioniert. Der Schläger zu groß, der Ball zu klein, die Hüte zu zickig. Nägel an den Schuhen. Grünflächen, soweit das Auge reicht. Langes Gras, mittellanges Gras, kurzes Gras. Kleine Seen, Sandlöcher. Eine Welt, hergerichtet für ein paar ältere Männer in karierten Hosen.

Die Zuschauer dürfen nicht auf die Wiesen. Sie drängen sich hinter den Absperrungen und bestaunen ...ja, was eigentlich? Den Meister. Der sich mit einer Bescheidenheit an den Abschlag begibt, die an Großspurigkeit grenzt. Er nähert sich dem Bällchen, als hätte er eine hochkomplizierte Gleichung zu lösen. Ganz Konzentration und würdevolles Schmollen. Bedeutungsvoller Blick zum Caddie, der ihm hoheitsvoll einen der Prügel reicht. Vorsichtig nähert er sich dem Bällchen, das wie eine hochexplosive Ladung im Grase liegt. „Schneide ich zuerst den gelben Draht oder den blauen Draht...?“ Behutsamkeit und Vorsicht sind jedenfalls geboten. Der Meister trippelt zum Tee. Das ist nichts zu Trinken, sondern ein Stöpselchen, auf dem der Ball ruht. Psst. Wie steht der Wind? Und dann: Rückschwung – Abschwung – Durchschwung. Wusch!!! Weg ist der Ball, einsam steht das Tee.

Und nun? Alles lauscht und guckt angestrengt. Dieser winzige Ball. Sieht den wirklich irgendwer fliegen? Mit dem Fernrohr vielleicht. Auch die beim Fernsehen sind nicht zu beneiden, und nicht selten sehen wir einen blauen oder grauen Himmel oder ein paar Bäume, aber: kein Ball. Irgendwie schaffen es Caddie und Meister dann doch, ihn wieder aufzufinden. Schön, wenn er mitten auf der Wiese liegt, blöde, wenn nicht. Bei den Zuschauern besonders beliebt sind mit Sand gefüllte Mulden, weil dann der Dreck schön fliegt, beim Herausschlagen. Das ist Action, da wird die geballte Kraft deutlich, die hinter dem Schlage steckt.

Manchmal entstehen lustige Situationen, wenn der Ball in einer Astgabel landet. Da natürliche Hindernisse so behandelt werden, als seien sie nicht da, klettert der Herr Golfspieler in den Baum und schubst die Kugel auf die Bahn zurück. Das Publikum kriegt sich nicht mehr ein: er mit seinen schönen karierten Hosen! Muß man sich mal vorstellen. Denn der Ball muß ins Loch, das irgendwo inmitten der kilometerlangen Grasbahn dämmert. Als Loch nichts Besonderes, nur eben ziemlich winzig. Gerade genug Platz für eine halbe Maus. Oder einen Käfer. Übrigens eine interessante Frage: was geschieht, wenn ein heimlich im Loch wohnender Käfer gerade in dem Moment, in dem der Ball kommt, den Rücken wölbt und dergestalt den Ball wieder aus dem Loch katapultiert...? Den Spielregeln entsprechend ist der Käfer ja überhaupt nicht vorhanden. Theoretisch wäre es möglich, daß irgendwelche perfiden Caddies dressierte Käfer in des Gegners Loch stopfen. Die immer, wenn sie den Ball rollen hören, den Rücken krümmen. Dann ist Essig mit Einlochen, und der Caddie kriegt was an die Ohren.