■ Vietnam wurde in die Asean-Staatengruppe aufgenommen
: Ganz unter uns

Vietnam ist in den Kreis der respektablen Länder aufgestiegen. Seine Regierung hat es endlich geschafft, in die Südostasiatische Staatengemeinschaft Asean aufgenommen zu werden, die seit 28 Jahren nach dem bewährten Prinzip „eine Krähe hackt der anderen nicht die Augen aus“ funktioniert.

Als sich die Vertreter der – zunächst fünf, später sechs – Mitgliedsstaaten 1967 zur Gründung des Verbandes entschlossen, hatten sie keineswegs das Ziel einer „Asiatischen Union“ im Auge. Auch von Militärbündnis war nicht die Rede. Nichts lag den Regierungen Indonesiens, Malaysias, Singapurs, der Philippinen, Thailands und Bruneis ferner, als sich freiwillig eine Organisation zu schaffen, die das Recht hatte, ihnen in die Regierungsgeschäfte dreinzureden. Schließlich hatten sie sich erst kürzlich von Kolonialherrschaft und Besetzung befreit (abgesehen von Thailand, das nie formal kolonisiert wurde). Mit Asean sollte vielmehr ein lockerer Rahmen geschaffen werden, der es ihren Mitgliedern erlaubte, regionale Probleme anzusprechen und günstigenfalls auch zu lösen. Entscheidungen wurden nur im Konsens gefällt. Die Asean-Politiker entwickelten eine hohe Kunst der pragmatischen Diplomatie: Wenn es zum Beispiel nicht möglich war, einen Grenzstreit beizulegen, so konnte man sich zumindest darauf einigen, über etwas anderes zu sprechen.

Der korrupte katholische Diktator aus den Philippinen konnte sich entspannt neben den strengen konfuzianischen Autokraten aus Singapur setzen und mit ihm gemeinsam dem gerade per Militärputsch auf seinen Posten gehobenen Regierungschef aus Thailand zuprosten. Was jeder in seinem Land so trieb, war seine Sache, solange das keine unangenehmen Folgen (Flüchtlinge, unruheproduzierende Aktivitäten von Exilpolitikern etc.) nach sich zog. Und solange die Geschäfte nicht gestört wurden. Nichts stand dem Handel oder einem guten Golfspiel mit kommunistischen Geschäftspartnern aus Kambodscha oder dessen Nachbarn im Wege, wenn es denn nützlich war. Mit der Zeit und dem wachsenden wirtschaftlichen Erfolg fast aller Asean-Mitglieder (die Philippinen kamen nicht nach), wuchs das Selbstbewußtsein ihrer Regierungen. Immer leichter fiel es ihnen, Kritik von außen zurückzuweisen. Wenn Menschenrechtsorganisationen die Politiker – es gab nur wenige Frauen unter ihnen – aufforderten, Pressefreiheit und gewerkschaftliche Rechte zu achten oder politische Gefangene freizulassen, hieß die stereotype Antwort bald: „Wir Asiaten sind anders, unsere Kultur ist anders, deshalb gelten diese Vorhaltungen für uns nicht.“

Das war und ist Musik in den Ohren der Regierenden in Vietnam, die auch finden, daß man Demokratisierung am besten „unasiatisch“ nennen soll. Sie werden sich mit ihren Kollegen sehr wohl fühlen. Jutta Lietsch