Zukunftsängste im weißen Sandton

Streit in Südafrika: Zu den ersten Kommunalwahlen im November sollen weiße Villenvororte und schwarze Townships verwaltungstechnisch zusammengelegt werden  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Seit Januar dieses Jahres residiert Justice Hlomuka-Ngidi in einem schicken postmodernen Büro. Wenn er aus seinem hohen, dreieckig geschnittenen Fenster schaut, geht der Blick auf eine geschlossene Piazza mit einem Springbrunnen und neoklassizistischen Arkaden. Die Piazza ist das jüngste millionenschwere Bauprojekt des weißen Villenvorortes Sandton im Norden von Johannesburg. Viele Schaufenster sind leer, denn die Mieten sind hoch – und das weiße Sandton zittert um seine Zukunft.

Denn nach dem 1. November, wenn die ersten freien Kommunalwahlen in Südafrika stattfinden, soll Sandton verwaltungstechnisch zusammengelegt werden mit Alexandra, einem der ärmsten schwarzen Townships von Johannesburg. Die beiden Stadtteile, geographisch unmittelbar benachbart, könnten kaum weiter voneinander entfernt sein: hier riesige Villen mit Swimmingpools hinter Stacheldraht, dort bitterste Armut und politische Gewalt, 400.000 Menschen auf 2,5 Quadratkilometern.

Justice Ngidi kommt aus Alex – und ist seit Januar der erste schwarze Bürgermeister von Sandton. Allerdings nur kommissarisch. Der ehemalige Guerillakämpfer im militärischen Flügel des ANC, Umkhonto we Sizwe, soll das vorbereiten, was nach dem 1. November Wirklichkeit wird: Erste Welt wird mit Dritter Welt vereinigt. Der ANC will das hohe Steueraufkommen weißer Gemeinden umverteilen und für den Wiederaufbau nutzen – auch wenn das kaum jemand ausspricht.

Vor allem in den Millionenstädten Durban, Kapstadt und Johannesburg tobt zwischen den Parteien seit Monaten heftiger Streit sowohl um den Zuschnitt der Wahlkreise als auch um die künftigen kommunalen Verwaltungseinheiten. Je nach Zuschnitt der Wahlkreise würde sich das Wahlergebnis erheblich verändern, je nach Zuschnitt der Bezirksgrenzen das Steueraufkommen ganz anders verteilt werden. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Nur widerwillig hat deshalb das Kabinett unter Präsident Nelson Mandela am Mittwoch abend beschlossen, Ausnahmen für die Wahlen zuzulassen. Unter bestimmten Bedingungen kann jetzt in Teilen des Landes die Wahl bis spätestens Ende März 1996 verschoben werden. Bei den ersten freien Wahlen in Südafrika im April vergangenen Jahres wurde nur auf nationaler und Provinzebene gewählt, die demokratische Legitimation kommunaler Verwaltungen aber auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Jetzt sind in den meisten Städten und Gemeinden „Übergangsräte“ mit schwarzen und weißen Mitgliedern eingesetzt worden, die aber nur eingeschränkte Kompetenzen haben.

„Es ist schon schade, daß wir manchmal keine richtigen Entscheidungen treffen können“, sagt auch Ngidi. Aber die Annäherung zwischen Erster und Dritter Welt habe begonnen, und der gemischte Gemeinderat kooperiere sehr gut. „Mein Büro hier ist größer als mein Haus in Alex“, lacht er, „das können sich viele der Weißen, mit denen ich jetzt hier zu tun habe, gar nicht vorstellen.“ Der neue Gemeinderat hat deshalb erst einmal einen Ausflug organisiert – nach Alex, das die meisten Bewohner von Sandton noch nie in ihrem Leben betreten haben.

Dort warten die meisten verzweifelt auf das, was ihnen die neue Regierung versprochen hat: eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Die Fortschritte sind eher bescheiden. Ein paar Straßen sind geteert, ein Dutzend neue Ampeln aufgestellt worden. Nach den Wahlen erst kann endlich das gewaltige „Programm für Wiederaufbau und Entwicklung“ (RDP) umgesetzt werden. Zwar wurden von der Regierung auch für dieses Jahr Milliardenbeträge dafür im Haushalt freigegeben. Doch oft werden sie gar nicht erst ausgegeben, weil die Kommunen über keinerlei Infrastruktur verfügen und mit der Durchführung vollkommen überfordert sind.