Achtung, Walderdbeeren!

■ Parasiten im Sommerloch, Teil II: Wo in Bremen der Fuchsbandwurm lauert

„Hände weg von den Waldfrüchten!“ Mit dieser Warnung schockte vor wenigen Tagen Niedersachsens Landwirtschaftsminister Karl Heinz Funke harmlose Wanderer und ihre Einmachhilfen. In den Früchten, hieß es, lauere das Ei des Fuchsbandwurms auf einen neuen Wirt, den Menschen. In diesem angelangt aber könne das Wurmei zu schweren Krankheiten führen.

Sollte es wahr sein, daß Omas Preisselbeeromeletts endgültig der Vergangenheit angehören? Daß der Mensch, in seiner Freizeit noch immer Jäger und Sammler, die in des Waldes Tiefe gewonnenen Beeren zukünftig entbehren muß? Daß Muttis Marmelade und Gelee gesundsgefährdend sind?

Nein, so weit geht es nicht. Denn das Ei des Fuchsbandwurms ist für den Kochvorgang nicht geeignet. Derart erhitzt, stirbt es den elenden Finnentod. Anders, wenn es roh genossen. Dann entwickelt sich das Ei im Menschengedärm zur Fuchsbandwurmfinne und kann so zu grausigen Krankheiten führen. Zu Leberentzündungen, Gelbsucht und anderen Malaisen. Zu allem Übel lassen sich die im Körper verteilten Finnen nicht wegoperieren, sondern müssen durch chemotherapeutische Behandlungen vertrieben werden. Eine vorbeugende Spritze gibt es nicht.

Heimlich, still und leise hockt das gemeine Ei des gemeinen Fuchsbandwurms auf einer Him-, Bick-, oder Walderdbeere. Winzig ist es, mit dem bloßen Auge nicht erkennbar. Schließlich hat selbst ein ausgewachsener Bandwurm nicht mehr als ein bis zwei Millimeter Länge. Wie aber gelangt sein Ei auf die Beere? Natürlich durch den Fuchs, genauer: durch seinen Auswurf. Die Eier seines Untermieters setzt er wie zur Krönung oben auf seinen Haufen. Dort, in für sie luftiger Höhe, sind sie den Naturkräften von Wind und Regen preisgegeben. WissenschaftlerInnen vermuten, daß sie auf diese Weise wild verstäubt an die Beeren gelangen. Andere denken, daß der Fuchs sein Geschäft direkt an der Beere gemacht hat. Vor eingekoteten Beeren ist daher besonders zu warnen.

Wieder andere vermuten, daß die Übertragung gar nicht über die Waldfrüchte stattfindet. Zu diesen gehört der Bremer Amtstierarzt Jan Hendrik Brandt: „Es hat noch keinen Beweis dafür gegeben, daß sich auf Waldbeeren Bandwurmeier befanden.“ Die Beere und Bandwurm verknüpfende Theorie stamme aus Baden-Württemberg, wo es Füchse, Beeren und Bandwürmer en masse gibt, und die beim Menschen sonst seltene Krankheit des Befalls durch Fuchsbandwurmfinnen relativ häufig sei. Ein Zusammenhang sei daher möglich, meint der Arzt, aber eben nicht bewiesen und gibt zu bedenken, daß der Fuchsbandwurm auch bei Schafen oder „ungepflegten Hundepopulationen auftritt, wie man sie in Mittelmeergegenden findet“.

Die Warnung aus Niedersachsen jedenfalls erfolgte, nachdem dort bei einer Fuchs-Untersuchung 60 Prozent der Probanden von den üblen Parasiten befallen waren. Kann sein, daß der Bandwurm mit den wandernden Füchsen aus Baden-Württemberg hochgekommen ist, mutmaßt der Bremer Arzt, der jenem Bundesland offensichtlich nicht viel abgewinnen kann.

Bis nach Bremen aber, kann er beruhigen, ist der Fuchsbandwurm noch nicht gedrungen. Schon weil die Zahl der Füchse noch geringer sein dürfte als die der „ungepflegten Hundepopulationen“. Maximal „einige hundert Füchse“, schätzt Brandt, pirschen durch Bremen und umzu. Bei einer Untersuchung waren alle negativ. Im niedersächsischen Osterholz dagegen, wo man 24 Tiere untersuchte , zählte man schon 6 vom Bandwurm befallene Tiere.

Daß der Fuchs, und mit ihm der Bandwurm, gen Bremen schnürt, ist recht unwahrscheinlich. Denn der Fuchs mag nun mal keine Marschgebiete und Flußniederungen. Für Bremen sieht Brandt daher keine Gefahr. Folglich könne man Waldbeeren, so es hier welche gibt, durchaus essen, nachdem sie gewaschen wurden. Das meint auch das Hauptgesundheitsamt, empfiehlt aber, Beeren erst oberhalb der Kniehöhe zu pflücken. Dort, vermutet Mitarbeiterin Dr. Ute Zolondek, sei das Bandwurmei kaum zu vermuten. „Schließlich springt der Fuchs nicht auf Bäume.“ dah