■ 2000 Anschläge– Die Gastkolumne
: Buten & Binnen kerngesund Keine Geyer-Allergie

Wer Buten & Binnen kennt, schaltet schnell ab, wenn er außerhalb der Reichweite des Bremer Minisenders andere Regionalprogramme sieht. Hotelzimmer werden ohne die Bremer Fernsehchuzpe noch öder. Wo die Funkhäuser der Republik auf Langeweile gleichgeschaltet sind, sorgt Bremer Biß für originelle Information. Wenn durch Zauberspruch die Schuldeninsel an der Weser morgen verschwunden wäre, die 99 % übrige Republik merkten nicht, daß etwas fehlt. Allein das Fernsehregionalprogramm würden Kenner vermissen. Zwar fahren Niedersachsens Bauern rund um Bremen längst lieber nach Oldenburg und Posthausen, wenn sie was brauchen, doch „Hallo, Niedersachsen“ sieht kaum einer, wenn die Antenne für Buten & Binnen reicht. Wo Bremer Zustände nicht einmal mehr zum Mitleid reichen, sondern Desinteresse Bremens provinzielle Obskuritäten ignoriert, bewirken allein Buten & Binnen und Werder, daß man im Umland Bremen nicht vergißt.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sind längst zu Hofberichterstattern verkommen. Politisch majorisierte Aufsichtsgremien, die in den Sendern über Aufstiegschancen entscheiden, haben politisches Wohlverhalten erzwungen. Man mußte nur zu den Skandalzeiten von Strauß, Lafontaine und Späth die örtlichen Programme sehen, um die Beißhemmungen wahrzunehmen, die man in Mün- chen, Saarbrücken und Stuttgart hat. Da gehen Geyer und Konsorten mit Bremens Mächtigen ganz anders um.

Natürlich haben Wedemeier und Lenz zu ihren abgelebten Zeiten den Sender domestizieren wollen, und CDU-Neumann war auch nicht zimperlich beim Kampf um Einfluß. Selbst wenn die Senderspitze Wirkung zeigte, die Geyer- mannschaft hat nur wenig nachgegeben. Das alte SPD-Establishment sprach darum stets verächtlich von „Drunter und Drüber“ wenn es den Sender meinte, der allein noch ihm im Stadtstaat die Kreise störte. Oft deckte der Sender auf, was Bremens größte Tageszeitung bis dahin geflissentlich übersehen hatte. Daß die bundesrepublikanische Medienlähmung allein den Bremer Sender nicht befallen hat, ist staunenswert und weithin Geyers Werk.

So ist es denn kein Zufall, daß der Bremer Minisender beim Wettbewerb der Regionalprogramme die meisten Preise abstaubt, als einzige Bremer Institution im überregionalen Wettbewerb Spitze ist. Die Einschaltquoten sind noch immer erstaunlich gut. Wer letzte Bremer Originalitäten vor dem Aussterben bewahren will, muß für die Eigenheiten des Senders, wo sie denn da sind, streiten. Wir haben nicht mehr viel, was schützenswert ist.

Horst-Werner Franke,

Senator a. D.

Foto: Herve Maillet