Charisma, lauwarm

■ Youssou N'Dour scherte sich im Schlachthof wenig um seinen Welthit

Nein, verdorben wurde der afrikanische Superstar Youssou N'Dour durch den internationalen Erfolg seines Popsongs „7 Seconds“ zum Glück nicht. In seinem Konzert nahm er keine Rücksicht auf jene neuen Fans, die verklärt bei den ersten Takten des Hits die Augen verdrehten. Er leierte das Liedchen eher lustlos herunter und plazierte diesen Pflichtteil irgendwo in die Mitte des Konzerts.

Ansonsten spielte er konsequent seine Mischung aus alten senegalesischen Rhythmen und modernen Rock und Latin-Elementen, über der er seine helle, expressive Stimme mit einer feurigen Eleganz schweben ließ. Seine 9-köpfige Band „Super Etoile“ mit zwei Bläsern, zwei Sängerinnen und drei Percussionisten liefert wieder einen perfekt gewebten Rhythmusteppich. Neben dem überragenden Gitarristen verblüffte auch wieder der Spieler des kleinsten Instruments, der etwa 20 Zentimeter großen Talking-drum, mit den raffiniertesten perkussiven Soloeinlagen.

Aber die Stimmung war an diesem Abend dennoch anders als bei seinem Konzert im letzten Jahr – und das nicht nur, weil der Sound diesmal viel schludriger abgemischt wurde. Youssou N'Dour ist abgebrüht geworden. Er und die Band spielten diesmal stromlinienförmiger – ja sogar noch perfekter als im letzten Jahr. Aber damals strahlten er und die Musiker förmlich voller Spielfreude und positiver Energie. Man hatte vom ersten Takt an das Gefühl, an diesem Abend könne nichts schiefgehen. Jetzt spielten sie mindestens genauso gut, aber der Kick des ganz besonderen Augenblicks fehlte. Es war ein schönes, manchmal sogar begeisterndes Konzert, aber mehr eben nicht.

Auch das Publikum reagierte diesmal ganz anders. Für etwa 100 Mitglieder der Bremer „black community“ war das Konzert offensichtlich ein Grund zum Feiern, und als N'Dour in einem Song alle Senegalesen unter den Zuhörern grüßte, reagierten sie mit lauten Begeisterungsrufen. Aber während sich die vielen jungen Afrikaner beim letzten Mal einen Spaß daraus machten, jeweils für einige Sekunden die Bühne zu erklimmen und dort ekstatisch zu tanzen, benahmen sie sich diesmal verdächtig ruhig. Erst bei der Zugabe stürmte dann ein europäischer Fan kurz die Bühne, und ihm folgten noch zwei schwarze Frauen, aber die stämmigen afrikanischen Machos zeichneten sich an diesem Abend dadurch aus, daß ausgerechnet sie bei einer langsamen Ballade ihre Feuerzeuge schwenkten. Der Beifall war enthusiastisch, und die Musiker hatten offensichtlich Spaß auf der Bühne (vor einigen Tagen in München spielten sie dagegen lustlos und nur eine Stunde lang), aber alles an diesem Abend schien ordentlicher und dadurch etwas blasser zu sein.

Willy Taub