Boot ist leiser wie Auto

Journalisten jagen 00 Snyder: Leichte Übelkeit bei einer Kutterfahrt zum Auftakt der großen Helge Schneider-„Comeback“-Tour  ■ Von Benjamin von Stuckrad-Barre

So viele Menschen, so viele Fragen, so viel Gelächter – so wenig zu sagen.

Zum Auftakt seiner Comeback-Tournee beließ Helge Schneider es bei der Journalisten- massenabfertigung, wohlwissend, daß diese im Rudel, anders als einzeln, kein unablässiges Fragengewitter hervorbringen, sondern sich auf breiiges Gelächter und Gratisgetränkeverschwenden beschränken. Und so kam es. Knapp hundert frohgelaunte Menschen durften mit Herrn Schneider eine halbe Stunde lang auf einem Fischkutter vor Sylt dümpeln – im Meer der Fragen. Schneider selbst patrouillierte ziellos auf dem Kutter hin und her, verfolgt von drängelnden Mikrophonhaltern, die sich nicht darum bemühten, Schneider etwas zu entlocken, sondern offenbar glaubten, die lustigen Sätze würden schon von selbst kommen, wie auf Platte.

Schneider indes fühlte sich merklich unwohl ob dieser Nähe. Um sich nicht mit Fragen und Fotowünschen beschäftigen zu müssen, sorgte er leidenschaftlich für seinen Hund Hank, den er vorsichtshalber angeleint hatte. Ein Witz? Viele Journalisten dachten so. „Hey, Helge“, schnarrten sie kumpelhaft, „ist das ein Seehund?“ Ein anderer wollte gar spitzbübisch „die Steuermarke überprüfen“. Haha! Verwirrt und entsetzt wandte Schneider sich ab. Doch war die Flucht unmöglich. Schneider eingekeilt – hilflos wie ein auf dem Rücken liegender Käfer. Speziell unter den Fernsehteams wächst der Ärger. „Mensch, Helge“, rufen sie, „einmal lachen, ein Witz, ey, bitte!“ Aber kein Witz, kein Lachen.

Schneiders Erfolg erscheint als unerklärbarer Publikumsirrweg. Die Verweigerungshaltung, die man auf der Bühne mit grölendem Lachen quittiert, wird dem Privatmann Helge Schneider nicht gestattet. Ob das berichterstattende Volk glaubte, Schneider müsse nun freundlich sein, da man ihm doch – indirekt – zur Goldenen Schallplatte verholfen hatte? Durchaus vorstellbar, manch einer funktioniert derart schlicht.

Doch Helge Schneider verbrüdert sich nicht mit den selbsternannten Weggefährten — und verkrampft zusehends. Es ist das alte Problem: Kaum wird ein Künstler Objekt der Massenbegierde, wird seine Bewertung ganz darauf reduziert. Helge Schneider? Ach, natürlich, der mit „Katzeklo“. Ja, solch ein kleiner Nenner macht die Menschen froh. Schneider laviert. Eine schizophrene Situation, ganz nach dem Geschmack der Meute. Nachdem er zehn Minuten lang begehrten Nonsens in die Mikrophone diktierte („Nein, wirklich, die Meerluft tut mir sehr gut, doch, ich fahre gerne mal Boot, ist auch leiser wie ein Auto“), schaltet er nun noch einen Gang runter. Schneider spaziert übers Deck und antwortet nur noch mit „Ja“, „Nein“, oder „Weiß ich nicht“. Damit möchte er den, er nennt sie so, „Pressefritzen“ wohl eins auswischen. Doch begeistert werden diese Null-Worte notiert und mit Gelächter honoriert. Schneider verzweifelt: Deutlicher kann er seinen Mißmut kaum äußern, mehr werden ihn die Leute niemals lieben können. Allein, wofür?

Schneider in einem redseligen Moment: „Früher hat niemand etwas gefragt, es gab ja auch nichts zu sagen. Heute gibt es immer noch nichts zu sagen, und die Leute wollen alles mögliche wissen. Das ist Scheiße.“

Fürwahr. Doch diese bösartigen Analysen mag niemand hören, auch dies wird belächelt. Noch ein Bier.

Ursprünglich war die Kutterfahrt für eine Stunde angesetzt, doch schon bei Fahrtantritt ließen die Organisatoren durchblicken, daß „Helge das bestimmt nicht eine Stunde lang mitmacht“. Er machte es gar nicht mit, und nach gut zwanzig Minuten bat er um Rückkehr. „Wau“, sagt Hank, „kultig“ findet es die Frau von Sat.1. Die nahenden Kaimauern drohend vor Augen und Linsen, schwingt die Herde sich zu einem letzten Aufbäumen auf. Gleich ist Helge weg, jetzt noch kurz das Bild, den Schnappschuß. Weit gefehlt, Schneider drängt zum Ausgang. Die letzte, mittels beinahe schon körperverletzendem Nahbereichskontakt vorgetragene Frage — worüber Schneider denn lachen könne — beantwortet der so Angegangene knapp und gereizt: „Mit solchen Fragen bin ich überfordert.“ Damit sagt er alles, doch keiner mag die Botschaft aufnehmen. Ein letztes hysterisches Lachen macht die Runde, niemand nimmt ihn ernst, ihn doch nicht. Im nächsten Moment ist Schneider verschwunden, sagt nicht mal das obligatorische „Auf Wiedersehen“.

An der Hafenmauer diskutieren die Zurückgelassenen. „Another day in life's great adventure“, analysiert jemand weitschweifig, ein anderer erkennt an, „Helge hat uns doch mal wieder vor Augen geführt, wie bekloppt und inszeniert das alles ist“. Ob er davon in seinem Bericht schreiben wird? Ob er danach seinen Beruf wechselt? Fromme Wünsche zum Wochenende.

31. 7. Flensburg, 1. 8. Lübeck, 2. u. 3. 8. Kiel, 8. 8. Gießen, 9. 8. Steinbach, 10. 8. Dresden, 11. bis 14. 8. Berlin Weißensee (Achtung! gefährdet wegen Lärmschutzbestimmungen. Wenn nicht alle Termine genehmigt werden, soll Berlin gedropt werden — hat Schneider gedroht), 18. 8. Halle, 19. 8. Jena, 20. u. 21. 8. Leipzig, 23. 8. Fulda, 24. u. 25. 8. Hannover, 26. 8. Wattenscheid, 27. 8. Xanten, 2. 9. Bremen, 4. bis 10. 9. Hamburg, 12. u. 13. 9. Stolberg, 15. 9. Elspe. 25. u. 26. 9. Essen, 27. 9. Limburg, für die restlichen 102 Termine bis 22. 4. 96 Auskunft unter 0234/72065