■ Mit tschechischem Atommüll auf du und du
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Prag (taz) – Wäre es vor zweieinhalb Jahren nicht zur Teilung der Tschechoslowakei gekommen, dann hätten die Tschechen jetzt keine Probleme mit ihrem Atommüll. Der würde dann nämlich weiter im slowakischen Atomkraftwerk Jaslovské Bohunice zwischenlagern und irgendwann weiter gen Osten transportiert.

Doch bei der Teilung des Landes wurde beschlossen, daß sich ein jeder um seinen Dreck kümmern soll. So müssen über 140 Tonnen ausgebrannter Brennelemente zurück nach Mähren ins AKW Dukovany, wo sie herstammen. Ursprünglich sollte der radioaktive Abfall weiter in die Sowjetunion transportiert und dort endgelagert werden. Doch die Russen weigern sich heute, den gefährlichen Müll ihrer ehemaligen sozialistischen Brüder entgegenzunehmen.

Der erste Bahntransport mit 60 Kassetten ausgebrannter Brennelemente hat nach Angaben des tschechischen Energieunternehmens ČEZ bereits Mitte Juli das südmährische AKW unbeschadet erreicht. Über 1.100 Behälter warten jedoch noch auf ihre Rückkehr in die Heimat, so daß bis 1997 rund 70 Sonderzüge des Nachts durch die Lande rollen werden. Die Termine und Trassen der Transporte hält ČEZ streng geheim; man hat Angst vor Blockaden durch AtomkraftgegnerInnen.

Eigentlich wollte die ČEZ die größeren, in Deutschland entwickelten Castor-Container bei dieser Aktion benutzen, doch sie sind in Tschechien noch nicht zugelassen. So findet der Transport nun erst einmal in zehn Jahre alten C-30-Containern statt. Und in ihnen bleibt der strahlende Abfall dann auch längerfristig. Provisorisch untergebracht werden sie in einem der vier Blöcke des AKW Dukovany, denn ein geplantes Zwischenlager auf dem Gelände des Atomkraftwerks haben die Behörden bisher nicht genehmigt.

Obwohl ČEZ fleißig die Fertigstellung des zweiten Atommeilers im Lande vorantreibt, das laut Plan im September 1997 im südböhmischen Temelin ans Netz gehen soll, hat weder das Unternehmen noch die Regierung in Prag bisher eine Ahnung, was sie mit dem radioaktiven Abfall in Zukunft anfangen wird. Ein Endlager ist in Tschechien nicht vorgesehen. Über den Standort eines Zwischenlagers wird noch heftig diskutiert, doch soll es spätestens Ende 1996 gefunden sein.

Die AnwohnerInnen des AKW Dukovany haben indes noch andere Sorgen. Am 25. Juli wurden sie gleich viermal innerhalb von wenigen Stunden von Sirenengeheul erschreckt – jedes Mal erwies sich der Lärm als Fehlalarm. Und da das schon öfters vorgekommen war, schalteten die genervten Bürgermeister der betroffenen Gemeinden kurzerhand das 5 Millionen Mark teure Warnsystem für ein paar Tage ab. Im Falle eines echten Unglücks wollen sie ihre BürgerInnen per Lokalfunk informieren, versicherten sie. Katrin Bock