EU-Kommission kann doch die Atomtests stoppen

■ Ein internes Schreiben der Europäischen Kommission bestätigt, daß die EU die französischen Atomversuche im Südpazifik prüfen muß / Frankreich vor Gericht?

Brüssel (taz) – Die geplanten französischen Atombombentests im Südpazifik haben in Brüssel zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen bei der Öffentlichkeitsarbeit der Europäischen Kommission geführt. Die Kommission, die für die Überwachung der Europäischen Verträge einschließlich des Euratom-Vertrages zuständig ist, versucht, den Grad ihrer Zuständigkeit zu verschleiern und sich in die Sommerpause zu retten. Der Euratom-Vertrag ist einer der Grundlagenverträge der EU, der für die EU-Mitglieder verbindlich die Nutzung von Atomkraft regelt.

Wie die taz gestern erfuhr, hat der Juristische Dienst der Kommission schon vor einer Woche in einer internen Vorabmeldung bestätigt, was bis dahin nur Umweltorganisationen behauptet hatten: Der Euratom-Vertrag verpflichtet die Kommission, von der französischen Regierung genaue Informationen über die Auswirkungen der Tests auf Gesundheit und Umwelt zu verlangen. Nach Einschätzung des Juristischen Dienstes treffen die entscheidenden Artikel des Euratom-Vertrages auch auf militärische Atomversuche zu und nicht nur auf zivile Projekte, wie in Brüssel bisher behauptet wurde. Wenn Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit zu erwarten sind, dann fällt diese Unterscheidung weg. Das ist im Prinzip auch von Frankreich anerkannt. Schließlich wurden die überirdischen Atomtests in der Sahara in den 60er Jahren von der französischen Regierung in Brüssel ordnungsgemäß angemeldet.

Auch die Frage, ob das Moruroa-Atoll überhaupt zum Gebiet der Europäischen Union zählt, ist müßig, weil das in anderen Bereichen längst geklärt ist. Wenn die französischen Überseegebiete nicht zur EU gehören, ist beispielsweise die ganze Bananenordnung hinfällig, die den Pflanzern in der Karibik ausdrücklich dieselben Rechte einräumt wie allen anderen EU-Bauern.

Offen ist im Grunde nur noch, ob auf die Atomtests die Formulierung „besonders gefährlich“ zutrifft und ob sie Auswirkungen auf das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates haben. Für beides gibt es begründeten Verdacht. 1979 blieb eine Atombombe auf halber Höhe im Bohrschacht stecken, die Detonation löste eine Flutwelle aus, die einen Menschen verletzte. Die radioaktiven Strahlen dürften auch auf den nur 600 Meilen entfernten Pitcairn-Inseln meßbar gewesen sein, und die sind britisches Hoheitsgebiet.

Auch innerhalb der Kommission sind einige der Meinung, daß für die Atomtests deshalb eine Genehmigung aus Brüssel nötig ist. Briefe an die französische Regierung reichen dann nicht mehr. Die Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard hatte Mitte Juni und Anfang Juli Paris schriftlich um Informationen gebeten. Zu einer Antwort fand sich die Regierung in Frankreich bisher noch nicht bereit.

Notfalls wird sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) damit befassen müssen. Denn wenn die Kommission ihre Kontrollpflichten aus dem Euratom-Vertrag nicht erfüllt, kann sie deshalb verklagt werden. Hiltrud Breyer von den Grünen im Europaparlament versucht zur Zeit, die Möglichkeiten einer Klage vor dem EuGH auszuloten. Alois Berger