Kanthersche Pflichterfüllung

■ Innenminister will Grenzen für Flüchtlinge aus Bosnien schließen / Geißler widerspricht ihm

Bonn (taz) – Eine klare Lösung des bosnischen Flüchtlingsproblems hat sich Innenminister Manfred Kanther (CDU) ausgedacht: Er will überhaupt keine Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien mehr in Deutschland aufnehmen. Gegenüber der Berliner Morgenpost begründete Kanther seine Entscheidung damit, daß die Bundesrepublik mit fast 400.000 Menschen mehr Vertriebene aus Ex-Jugoslawien aufgenommen habe als alle anderen europäischen Länder zusammen. 80 Prozent aller Kriegsflüchtlinge aus der Region lebten in Deutschland, nur 20 Prozent im restlichen westlichen Ausland. Kanther: „Ich bin der Meinung, daß wir damit unsere Pflicht erfüllt haben.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Heiner Geißler, widersprach Innenminister Kanther im Interview mit der taz: „Eine grundsätzliche Weigerung, diese Vertriebenen bei uns aufzunehmen, widerspricht unserem Menschenbild und unseren humanitären Auffassungen.“ Geißler forderte, sofort eine Konferenz von EU-Ministern einzuberufen, die einen europäischen Verteilerschlüssel für die Flüchltinge ausarbeiten solle.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, nannte Kanthers Äußerung „menschlich bedenklich und politisch instinktlos“. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), verlangte eine europäische Lösung und widersprach ebenfalls dem Innenminister: „Daß wir die Hände in den Schoß legen, kann angesichts der schrecklichen Zustände keine Lösung sein.“ Hans Monath