Hochzeitsflug ins Bordell

Ausbeutung durch Schlepper, Zuhälter und Scheinehemänner: Studie zum „Handel mit ausländischen Frauen“  ■ Von Ute Scheub

Die Thailänderin B. ist 32 Jahre alt. Sie lebte als Bauarbeiterin in Bangkok, bis sie eines Tages von einer früheren Kollegin angesprochen wurde, ob sie nicht in Deutschland für ein Vielfaches ihres bisherigen Lohnes in einem Restaurant arbeiten wolle. B. sah die Chance ihres Lebens und borgte sich 10.000 Mark, um Flugticket und Vermittlungsgebühr zu bezahlen. In Berlin wurde sie von einem Mann abgeholt und in eine Wohnung mit anderen thailändischen Frauen gebracht. Man machte ihr klar, daß sie keineswegs als Kellnerin, sondern als Prostituierte in einer Bar arbeiten müsse. Ihr wurde der Paß abgenommen. Die Wohnung durfte sie nur selten verlassen, und dann auch nur in Begleitung anderer Frauen. Die thailändische Barbesitzerin drohte ihr, ihrer Familie werde etwas passieren, wenn sie etwas erzählen würde. Nach zwei Monaten wurde sie bei einer Razzia aufgegriffen und später ausgewiesen. Das erhoffte bessere Leben hat ihr einen Schuldenberg eingebracht, den sie von ihrem thailändischen Bauarbeiterlohn nicht abtragen kann.

Die Philippinin A. ist 24 Jahre alt. In Manila wurde sie von einer mit einem Berliner verheirateten Freundin angesprochen, ob sie nicht einen deutschen Mann ehelichen wolle. Der Mann flog auf die Philippinen, um sie kennenzulernen. A. fand ihn zunächst ganz nett. Er versprach ihr eine gute Arbeit in Deutschland, damit sie ihre Familie unterstützen könne. Sie heirateten. Doch in Berlin mußte sie für einen Freund ihres Mannes arbeiten – für ganze 1.000 Mark im Monat, die ihr Gatte auf seinem Konto einbehielt. Als sie auf ihrem Geld bestand, erhielt sie Prügel zur Antwort. Jetzt lebt sie mit dem Alkoholiker in einer Einzimmerwohnung zusammen. Wenn sie sich von ihm trennen würde, würde sie abgeschoben, da laut Paragraph 19 Ausländergesetz eine Ehe mit einem deutschen Partner vier Jahre bestehen muß, bevor dem ausländischen Partner ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zugestanden wird.

Diese beiden Lebensberichte sind durchaus typische Beispiele für das hiesige Schicksal thailändischer oder philippinischer Frauen. Sie sind einer Studie von Mitarbeiterinnen der Ban-Ying-Koordinationsstelle entnommen. „Ban Ying“ ist thailändisch und bedeutet „Haus der Frauen“. Das im Wedding ansässige Projekt befaßt sich schwerpunktmäßig mit dem Problem des Handels mit Südostasiatinnen und unterhält eine Zufluchtwohnung für mißhandelte Frauen.

Die Bestandsaufnahme von Ban Ying läßt einen erschauern. Die Frauen, die unter falschen Versprechungen aus Asien oder Osteuropa hierhergeschleust werden, unterliegen gleich doppelter und dreifacher Ausbeutung, indem sie hohe Summen an Schlepper, Zuhälter und Scheinehemänner bezahlen müssen. Seit dem Mauerfall sind Angebot und Nachfrage auf dem Sexmarkt explodiert: Nun verlangen auch ostdeutsche Männer nach „gefügigen“ und „anschmiegsamen“ Asiatinnen. Andererseits schleppen Menschenhändler immer mehr Frauen aus Polen und anderen europäischen Ländern nach Berlin, weil diese zum Teil kein Visum benötigen, schnell wieder ausgetauscht werden können und somit zum Teil besser „verwertbar“ sind. In einem westlichen Bezirk treffe alle drei Monate ein Reisebus mit „neuen“ Frauen aus der Ukraine, aus Rußland und Lettland ein und ein Bordellbesitzer in Ostberlin tausche sein „Kontingent“ an polnischen Frauen jeden Monat komplett aus, referiert die Studie Beobachtungen aus der Szene.

Dennoch stellen die Thailänderinnen nach wie vor die größte Gruppe in der Prostitution. Auf 100 Thailänderinnen, schätzen die Mitarbeiterinnen der Bezirksberatungsstellen, kommen 35 polnische Frauen, 30 russische, je 7 tschechische und slowakische, 6 ukrainische, 5 rumänische, 3 bulgarische, je 2 lettische, estische und litauische sowie 1 mongolische.

Derzeit, so die Studie weiter, werde die für Berlin und Brandenburg zuständige hiesige thailändische Botschaft „von täglich bis zu zehn Thailänderinnen in Begleitung ihrer deutschen Verlobten zwecks Eheschließungsangelegenheiten aufgesucht“. Aber: „Nachforschungen haben ergeben, daß sich hinter einigen Meldeadressen der Frauen Bordelle verbergen.“ Da viele Eheschließungen auch im liberalen Dänemark abgewickelt werden, hat die Kriminalpolizei inzwischen eine „Ermittlungsgruppe Dänemark“ eingerichtet, die derartigen Scheinehen nachgeht.

Für die Thailänderinnen ist eine solche Eheschließung aber oft die einzige Möglichkeit, in ihr vermeintliches Traumland hineinzukommen. Wie Frau B. träumen viele davon, hier endlich ihre Familie ernähren zu können. Hoch verschuldet gegenüber den Schleppern, die sie gegen 10.000 bis 40.000 Mark Gebühr über die polnisch-deutsche oder die holländisch-deutsche Grenze bringen, kommen sie hier an. Nicht wenige ihrer treusorgenden deutschen Ehegatten nutzen ihre Notlage weiter aus. Laut Studie fordern sie „von den Frauen mehrere tausend Mark dafür, daß sie keiner Behörde mitteilen, daß die Frau nicht tatsächlich mit ihnen zusammenlebt. Es wurde in diesem Zusammenhang berichtet, daß die Scheinehemänner sich dafür bezahlen lassen, daß sie zwecks Visumverlängerung mit der Frau zur Ausländerbehörde gehen. Die Bezahlung wird nicht selten in Form von sexuellen Dienstleistungen eingefordert.“

Damit derartige Erpressungen oder auch Gewaltakte – wie in der Ehe der Philippinin A. – nicht weiter möglich sind, fordert Ban Ying an allererster Stelle eine Änderung des Paragraphen 19 Ausländergesetz im Sinne eines eigenständigen Aufenthaltsrechtes für ausländische Ehefrauen.