Heime werden bewacht

■ Vietnamesenheime Gehrenseestraße: Besucher müssen draußen bleiben

„Die Leute gingen morgens aus dem Haus, und als sie abends zurückkamen, standen sie sozusagen vor verschlossenen Türen. Zutritt nur noch mit Hausausweis.“ Christa Dentler, Interessenvertreterin vietnamesischer Flüchtlinge in der Gehrenseestraße, ist empört. Seit etwa einer Woche forciere die Wohnheimbetreiberin Arwobau in einem bisher ungewohnten Tempo die Abschottung der Heime. Bereits in zwei Häusern kontrollieren mittlerweile Wachschutzkräfte der Firma Kruppa das Kommen und Gehen der BewohnerInnen. „Ich komme mir vor wie zu DDR-Zeiten“, äußerte sich dazu Heimbewohner Hoang Son. Mit vielen Tricks habe man damals, wenn Freunde aus einer anderen Stadt zu Besuch kamen und über Nacht bleiben wollten, die Eingangskontrollen umgangen. „Wir wollen nicht, daß wieder jemand durchs Fenster im ersten Stock klettern muß, nur weil er kein genehmigter Besucher ist.“

Noch vor einer Woche hatte der sich momentan im Urlaub befindende Ausländerbeauftragte der Arwobau, Gerd Neubert, dagegen erklärt, daß die Wachschutzregelung von den nun ausschließlich legalen Bewohnern der Häuser sehr begrüßt werde. „Endlich ist eine Ruhe eingekehrt, die besonders die ehemaligen Vertragsarbeiter mit Kindern genießen.“ Statt 500 Leuten wohnten in den einzelnen Blocks nun 120. Die Aushändigung der Schlüssel und der Post erfolge nur noch gegen Vorlage des entsprechenden Heimausweises. Besucher müßten sich anmelden. „Die Häuser sind für die Zigaretten-Mafia uninteressant geworden und demzufolge auch für die Polizei.“

Neuberts Zusicherung, die weitere Umwandlung der restlichen Wohnblocks in der Gehrenseestraße behutsam vorzunehmen, scheint nun, da zwischen Bonn und Hanoi vollendete Tatsachen geschaffen wurden und das deutsch- vietnamesische Rücknahmeabkommen unterzeichnet ist, jedoch nicht mehr verbindlich. In einem dritten Haus soll der Wachschutz bereits in der nächsten Woche und einige Tage später auch in einem vierten Block eingesetzt werden, äußerte sich Neuberts Stellvertreter, Gerd-Michael Böhm.

„Die Leute wissen nicht einmal den genauen Tag“, kritisiert Christa Dentler. Die Bewohner würden per Aushang rechtzeitig über die Maßnahmen informiert werden, sagt Gerd-Michael Böhm. „Jeder, der nicht legal in der Gehrenseestraße wohnt, hat genügend Zeit, seine persönlichen Sachen aus den Zimmern zu holen.“ Wohin er dann zieht, steht in den Sternen. „Ich denke“, so Hoang Son, „daß die meisten Vietnamesen nicht in die ihnen zugewiesenen Asylbewerberunterkünfte außerhalb Berlins zurückkehren werden.“ Dort herrschten nicht nur rigide Heimordnungen, es mangele auch an Beratungsstellen, die problemlos zu erreichen sind und an Anwälten, die sich mit Asylverfahren auskennen würden.

Ein Teil der GehrenseestraßenbewohnerInnen wird vermutlich im derzeit ohnehin schon überfüllten Wohnkomplex in der Rhinstraße untertauchen. Dort wiederum laufen durch die Arwobau bereits Leerzugsmaßnahmen, da die Betreiberin die Heime bis Ende des Jahres an die Lichtenberger Wohnungsbaugesellschaft zurückgeben muß. „Vermutlich wird es in der Stadt bald jede Menge obdachlose Vietnamesen geben“, so Christa Dentler.

Berlins Ausländerbeauftragte, Barbara John, geht hingegen davon aus, daß etliche der illegal in Berlin Lebenden „auf ihre Zigaretten-Tätigkeit verzichten werden und dorthin zurückgehen, wo für sie gesorgt ist“. Sie kritisierte die Arwobau dahingehend, daß sie über Jahre den Zustand in ihren Wohnheimen geduldet habe und begrüßte, daß durch die Wachschutzmaßnahmen endlich die Sicherheit derjenigen garantiert sei, die in den Heimen leben müßten. Kathi Seefeld