Spiegel-Fernsehen aus Berlin

■ Der Berliner Alternativsender "Fernsehen aus Berlin" (FAB) wird von Stefan Aust und Frank Otto ausgebaut: zum Wiederverwertungskanal für "Spiegel-TV"

Hektisch ist es in den letzten Tagen in der Sendezentrale am Bahnhof Zoo zugegangen. Beim Alternativsender „Fernsehen aus Berlin“ (FAB) wurde eifrig an neuen Programmkonzepten gebastelt, unermüdlich tagten die Gesellschafter. Jetzt ist es raus: Neu-Gesellschafter bei FAB sind der Versandhauserbe Frank Otto (24,5 Prozent), „Spiegel TV“ mit 18 Prozent und die Deutsche Fernsehnachrichtenagentur DFA (4,7 Prozent).

Bislang kreierten 39 mittelständische Film- und Fernsehproduzenten allabendlich liebevoll „andere Wirklichkeiten“ in ihrer TV- Nische. Doch die seit vier Jahren angehäufte Schuldenlast von 1,6 Millionen Mark drückte immens. Höchste Zeit, meinte Spiegel- Chefredakteur Stefan Aust, der selbst bisher 13 Prozent der FAB- Gesellschafteranteile hielt, den Sender zum Aufsteiger im boomenden Kommerzfernsehen zu machen. Eine bundesweite Lizenz ist FAB bereits so gut wie sicher, nur genügend Kabelplätze fehlen noch.

Aust hatte den Coup geschickt vorbereitet. Zunächst blätterte er 50.000 Mark auf den Tisch, um die akute Finanznot des Senders zu beheben. Dann setzte er durch, daß die Anteile der bisherigen Gesellschafter halbiert wurden – von Paul Stutenbäumer über die Zeitzeugen GmbH, den Berliner Manuel Werner, der mit seiner Partnersendung schon unzählige Ehen stiftete, bis zur Hamburger Produktionsfirma NME.

Das weitere übernahm Spiegel- Manager Werner E. Klatten, der als ehemaliger Geschäftsführer von SAT.1 über reichlich Fernseherfahrung verfügt. Als Treuhänder übernahm er für kurze Zeit 49 Prozent der FAB-Anteile, und dann begann die Neuverteilung: zugunsten von Frank Otto und „Spiegel-TV“. Bereits beim maroden Konkursfall Vox hatten Aust und Klatten geschickt laviert und sich damit ein großes und einträgliches Wiederverwertungsforum für die Produkte von „Spiegel-TV“ geschaffen. Jetzt besitzen „Spiegel-TV“ (18 Prozent) und Aust (6,5 Prozent) zusammen rund ein Viertel von FAB. „Es sind genau die hinzugekommen, die schon seit mehr als einem Jahr im Gespräch waren“, räumt FAB-Geschäftsführer Hans-Georg Roth ein.

Am liebsten hätten sich die Hamburger Spiegel-Macher noch ein größeres Stück vom FAB-Kuchen abgeschnitten, aber die zuständige Landesmedienanstalt von Berlin-Brandenburg wollte den mittelständischen Charakter des Senders erhalten, der in Berlin nicht nur im Kabel, sondern auch per Antenne zu empfangen ist.

Auch den zweiten Großgesellschafter fand Spiegel-Manager Klatten in den eigenen Reihen: In Hamburg ist er nämlich beim Lokalsender HH1 persönlich mit zwei Prozent beteiligt – und der gehört unter anderem dem Versandhauserben Frank Otto. Der hat bereits auf dem Rundfunkmarkt für einigen Wirbel gesorgt, doch derzeit kriselt es bei seinen OK Radio in Hamburg und KISS FM in Berlin. Ein Grund: Schritt für Schritt bereitet Otto seinen Ausstieg aus dem Radiobusineß vor.

Ein Rückzug aus dem Hamburger OK Radio (das sich übrigens künftig OK Magic 95 nennen wird) sei für ihn undenkbar, hatte er noch vor Wochen erklärt. Trotzdem bestreitet er nicht, daß das große Geld in der TV-Branche lockt. Neben HH1 ist er auch an den Musikvideosendern Viva 1 und 2 beteiligt, und Konzepte für Ballungsraum TV in Stuttgart und Nordrhein-Westfalen liegen in seinen Schubladen.

Bereits vor einem Jahr, als in Berlin eine terrestrische Lokal- Frequenz ausgeschrieben war, hatten Otto und Kumpane versucht, einen „Kanal B“ ins Leben zu rufen. Doch die Landesmedienanstalt entschied sich für FAB. Doch schon kurze Zeit später wurde der Weg vom Alternativ- zum Kommerz-TV absehbar: spätestens im Februar, als die Direktorenkonferenz aller Landesmedienanstalten empfahl, den vier Jahre alten Sender bundesweit zuzulassen. Das hieß, man brauchte viel mehr Geld – und Frank Otto stand vor der Tür.

„Die Zukunft muß gesichert werden“, Geschäftsführer Roth entschuldigt sich fast für die Neuorientierung. Denn Produktionsfirmen vom alten FAB-Schlage geraten auf diese Weise in die Defensive – von liebgewonnenen Gewohnheiten muß sich FAB wohl verabschieden. Durfte bisher jeder Gesellschafter senden, was er wollte (sofern er nur Kosten und Verantwortung übernahm), so wollen Roth und seine neuen Partner nun die „Sehgewohnheiten der Zuschauer bei der Programmplanung berücksichtigen“. Regionale mittelständische Sender aus der gesamten Republik sollen, ähnlich dem ARD-System, zusammengeschlossen werden, sobald die bundesweite Lizenz und Kabelplätze in anderen Bundesländern da sind.

Auch Neu-FAB-Mann Frank Otto kommt dieses Konzept durchaus entgegen. Sucht doch sein Sender HH1, der kräftig mit dem Programm des Disney-Kanals Super RTL beliefert wird, nach neuen Verbündeten. Kostensparen durch Wiederverwertung heißt die Devise. Gerade FAB-Hauptgesellschafter „Spiegel TV“ exerziert vorbildlich, wie das Prinzip der kommerziellen Ausschlachtung von Rohmaterial funktionieren kann. So könnte das neue FAB-Mantelprogramm primär von „Spiegel TV“ gespeist werden, sogar die Nachrichtensendungen würden daher kommen – wie schon bei Vox. Für Austs Leute kein großer Aufwand: kaum mehr als Programm-Recycling, das wenig kostet.

Roths Schwur auf das mittelständische Produzentenfernsehen, das auf neue wirtschaftliche Gegebenheiten reagieren und „entsprechend der ökonomischen Situation immer das für den Zuschauer ,beste Programm‘ herstellen“ soll, scheint aufzugehen. Nur etwas anders als bislang gedacht. Carsten Heeren