Ligachef Bossi droht „lebenslänglich“

■ Ermittlungen wegen Sezessionsdrohung des Norditalieners

Rom (taz) – Wegen Verdachts des „Angriffs auf die nationale Einheit“ Italiens hat die Staatsanwaltschaft von Mantua ein Ermittlungsverfahren gegen den Führer der Liga Nord, Umberto Bossi, eingeleitet. Nach italienischem Strafrechtsverständnis ist dies eines der schwersten Delikte, das man begehen kann – bedroht mit lebenslanger Haftstrafe.

Bossis Ligen-Bewegung war Mitte der Achtziger Jahre just mit dem Ziel einer Auflösung des zentralistischen Staates zugunsten eines eher lockeren Verbandes von „Republiken“ entstanden. Die Norditaliener sahen nicht mehr ein, warum sie ihre Steuergelder nach Rom senden sollten, wo sie in den Kanälen der meist im Süden angesiedelten Klientel der Regierungsparteien verschwanden, ohne Spuren in den Dienstleistungen zu hinterlassen. Die Fordernung nach Auflösung hatte politische Anfeindungen, aber keine strafrechtlichen Überlegungen ausgelöst, und die Ligen hatten in Norditalien Spitzenwerte bei den Wahlen bis zu 50 Prozent und landesweit gut zehn Prozent erreicht.

Doch nun scheint die Situation anders. Bei einer Sitzung des von Bossi vor zwei Monaten ins Leben gerufenen informellen „Parlament des Nordens“ hatte der Liga-Führer gedroht: „Wenn der Förderalismus, den alle Parteien versprechen, aber nie realisieren“, nicht bald durchgezogen werde, müsse sich „der Norden eine regelrechte Sezession von Rom überlegen“. Dazu will Bossi eine Volksbefragung durchführen – „demokratischer geht's wohl nicht mehr“.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders, wohl verleitet von wolkigen Bemerkungen des Staatspräsidenten, der in einer Replik auf Bossi gesagt hatte, bei der Forderung nach Verfassungsänderungen könne man auch „an die Grenze des Strafrechtlichen stoßen“.

Sicherlich möchte Bossi mit der Radikalisierung der Diskussion seine Gefolgsleute wieder fester um sich scharen. Seit er voriges Jahr durch seinen Austritt aus der Rechtsallianz mit der Forza Italia und den Neofaschisten die Regierung Berlusconi zu Fall gebracht und sich den Linksdemokraten angenähert hatte, war ihm gut ein Drittel seiner Parlamentarier davongelaufen. Aber es geht um mehr: Wo immer Bossi Alliierte für sein Streben nach stärkerer Autonomie gesucht hatte, wurde er enttäuscht. Von daher, so die übereinstimmende Meinung der Kommentatoren, ist Bossis harte Linie auch eine Konsequenz der Art und Weise, wie die großen Parteien versuchen, die Frage des Förderalismus still zu beerdigen. Werner Raith