Der Sündenfall von der Fellhornbahn

Neuer Skilift durchschneidet Rückzugsgebiet der Rauhfußhühner  ■ Aus Oberstdorf Klaus Wittmann

Wer sich dieser Tage von der Mittelstation der Fellhornbahn aus an den Aufstieg auf den 2.037 Meter hohen Berg in den Allgäuer Alpen macht, könnte meinen, hier oben sei die Welt noch in Ordnung. Die Alpenrosenblüte läßt erahnen, warum die Fellhornbahn mit dem Slogan „Der schönste Blumenberg Deutschlands“ wirbt. Wer dann einen kleinen Fußmarsch zur Schlappoldalpe unternimmt, dem Käser beim Herstellen von Bergkäse zuschaut, sich anschließend eine kräftige Brotzeit gönnt, wird kaum vermuten, welch verbissener Kampf um diesen Berg geführt wird.

Die Fellhornbahn GmbH, die seit 1993 ebenso wie die benachbarte Nebelhornbahn mehrheitlich dem Stromversorgungsunternehmen LEW (Lech-Elektrizitäts- Werke) gehört, ist für den Bund Naturschutz in Bayern (BN) inzwischen sowas wie das „Feindbild in Sachen ungebremster Expansion“ schlechthin. Und das liegt daran, daß die Bahn zwar einerseits mit ihren Umweltschutzerrungenschaften massiv wirbt, daß sie aber andererseits allen Protesten zum Trotz noch in diesem Jahr mit dem Bau eines neuen Skilifts beginnen will.

Quer durch eines der letzten Rückzugsgebiete der vom Aussterben bedrohten Rauhfußhühner soll der über einen Kilometer lange und 2,5 Millionen Mark teure Lift führen. Er durchschneidet den sogenannten Scheidtobel, in dem noch Enzian und zahlreiche weitere seltene Pflanzenarten wachsen.

Augustin Kröll, einer der drei Geschäftsführer der Fellhornbahn, bezeichnet den umstrittenen Lift als Naturschutz-Maßnahme, „um eine Totalberuhigung des sensiblen Gebietes zu erreichen.“ Bislang sei es nämlich so gewesen, daß Skifahrer den Engpaß an der Mittelstation umgingen, indem sie den Scheidtobel einfach durchquerten. Rauhfußhühner, so Kröll weiter, würden durch den Lift vor dem Skibetrieb geschützt. Eine wesentliche Verbesserung sei das auch in den Augen der Fachleute, behauptet der Geschäftsführer.

„Zynisch ist diese Argumentation“, erklärt dazu der BN- Ortsvorsitzende von Oberstorf, Sigi Rohrmoser. „Die wollen doch damit nur ein Umweltmäntelchen über ihren ungebremsten Expansionsdrang hängen.“ Der BN hat schon vor einem Jahr zum Boykott der Bahn aufgerufen, eben wegen des Scheidtobelliftes.

Auch der Immenstädter Wildbiologe Albin Zeitler schüttelt über die Argumentation der Bergbahn den Kopf. Der Lift sei die schlechteste aller am Fellhorn denkbaren Lösungen. Aus naturkundlicher Sicht müsse die absolute Sperrung des Scheidtobel-Bereichs Vorrang haben. Bislang, so Zeitler weiter, seien von der Fellhornbahn auch keine wirklich geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Flora und Fauna im Scheidtobel unternommen worden. „Das waren nur einige kosmetische Versuche!“

Vor allem Snowboardfahrer würden die Gräben, in die sich Rauhfußhühner und andere Tiere zum Überwintern zurückziehen, als Lieblingsabfahrten mißbrauchen. Kein Wunder, wenn der ADAC in seiner Mitgliederzeitung sogar für die „wilden Abfahrten“ wirbt. „Wenn das so weitergeht, bedeutet das eine drastische Reduzierung des Tierbestandes“, mahnt der Wildbiologe.

Freilich hat die Fellhornbahn breite Unterstützung der unterschiedlichsten Behörden und Gremien. Der Regierungsbezirk Schwaben genehmigte den Scheidtobel-Bau, weil sie – allen anderslautenden Erklärungen zum Trotz – den Erfordernissen der Raumordnung entspreche. Auch der Regionale Planungsverband Allgäu hat mehrheitlich zugestimmt, ebenso der Tourismusverband. Der Kemptener OB-Vertreter Leonhard Schmid (CSU) meinte sogar, man müsse eben „ein Naturopfer für einen prosperierenden Fremdenverkehr bringen“.

Der Bund Naturschutz will dies nicht hinnehmen. Auch wenn die Fellhornbahn auf ihre umweltschützerischen Errungenschaften der letzten Jahre immer wieder in ausführlichen Presseerklärungen hinweist. 30 Kilometer Trampelpfade seien zurückgebaut worden, ein Blumenlehrpfad wurde errichtet. Die Renaturierungsaktion habe 800.000 Mark verschlungen. Alles nur Ablenkungsmanöver in den Augen der Naturschützer, die weitere Protestaktionen angekündigt haben.

Schließlich sei es „eine katastrophale Fehlentscheidung, im Europäischen Naturschutzjahr einen Lift quer durch ein hochsensibles Naturschutzgebiet zu bauen, dazu mit Hubschraubern neun Stützen einzubetonieren und immer noch mehr Menschenmassen auf den sowieso schon arg ramponierten Berg zu locken.“ Nicht umsonst seien in der Vergangenheit bereits fünf Anträge für den Bau des Liftes abgelehnt worden. „Was hier passiert, ist eine absolute Kapitulation vor den wirtschaftlichen Interessen der Fellhornbahn.“

Dieser Tage haben die Naturschützer einen Teilsieg errungen. Dem von der Fellhornbahn nachgeschobenen Plan, durch das Schutzgebiet auch noch einen Korridor für eine Tiefschneeabfahrt anzulegen, wurde von den Fachbehörden eine eindeutige Absage erteilt.