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Die Hate-Parade der Häßlichen

„Blutige Straßenschlachten“ kündigen die Aufrufe zu den internationalen „Chaos-Tagen“ an. Reine Satire, aber die Polizei findet's nicht witzig. Tausende von Punkern erwartet  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Sonst sitzen sie mit ihren Bier- oder Cola-Dosen nur im Dutzend vor dem Reiterstandbild am hannoverschen Hauptbahnhof. Dieser Tage jedoch kann man in der Innenstadt bereits 200 Bunthaarige treffen, und am kommenden Wochenende wollen sich dort zu den traditionellen Chaos-Tagen „tausende Punks“ einfinden. Dies zumindest prophezeien die über hundert verschiedenen Flugblätter, mit denen Punks diesmal im In- und Ausland für die „Chaos days“, die „Chaoso Dienos“, die „Dni chaosu“ oder auch den „Kaos Dag i Tyskland“ geworben haben.

Vor der „blutigsten Straßenschlacht aller Zeiten“ warnen bereits die hannoverschen Christdemokraten. Den anonymen Verfassern der Punk-Flugschriften kommt diese Panik gerade recht, künden doch ihre Blätter ein gar wüstes Chaos-Programm an: Freitag 17 Uhr: Auftakttreffen mit blutiger Straßenschlacht; ... 20 Uhr: Kulturabend mit Film: „Die Helden der RAF“; ... Samstag 13 Uhr: „Wir starten eine Feuerwalze“ und am Sonntag dann noch eine „Scherbendemo“.

Bei ihrem Kampf gegen „Spießertum“ und für Anarchie wollen die Punks „alles außer Mord“ begehen: „Gemein, brutal, haßerfüllt und rücksichtslos: Sehen Sie die kriminellen Punker und ihre genauso üblen Kumpane bei ihrem spannenden Mega-Treffen in Hannover“, heißt es da und dann wird versichert: „Live übertragen von PRO SIEBEN.“

Vor allem Bild-Zeitungs- Schnipsel bevorzugen die Punks, um ihre Chaos-Flugblätter zu gestalten, und auf einigen wenigen verrät eine Randbemerkung auch den Sinn der blutrünstigen Großmäuligkeit: „Achtung! Dies ist eine Fälschung!“ wird der Leser gewarnt: „Aber genau so ein Flugblatt haben uns die Pressewixer im vergangenen Jahr unterstellt und in diesem Jahr werden sie es auf die gleiche Weise versuchen. Frei nach dem Motto: Untermenschen sind schuldig.“

Diverse Printmedien hatten den Punks bei den Chaos-Tagen 94 unterstellt, sie wollten „Hannover in Schutt und Asche legen“. Die Polizei nahm diese Presselügen zum Anlaß, um die Punks schon auf den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs zu hunderten in Gewahrsam zu nehmen. Diesmal drohen die Punks gleich von sich aus mit „Viren“, „Giftgas“ und „Atombomben“. Die Flugblätter folgen dem internen Motto: „Seit 1994 wird zurückgelogen.

„Linke Romantiker“ allerdings werden von den hannoverschen Punks ausdrücklich gewarnt. Die besseren Jugendlichen könne man auf den Chaos-Tagen sicherlich nicht treffen: Eine beschissene und desillusionierte Perspektive produziere eben keine strahlenden und gerechten Menschen, heißt es in einem – diesmal ernsthaften – Chaos-Hintergrundpapier. Das Kultereignis Chaos-Tage sei auf dem Wege, sich zu einem Treffen aller Häßlichen und Unterprivilegierten zu entwickeln, zu einem „Asi-Treffen, einer wirklichen Hate-Parade.“

Diese Häßlichen wollen vom 4. bis 6. August in Hannovers Innenstadt mit mobilen Bands und natürlich keineswegs prüde „die größte Punkerfete aller Zeiten“ feiern. Soweit es die Polizei zuläßt, auch friedlich. Ob daraus am Ende doch eine Schlägerei wird, hängt vor allem von der hannoverschen Polizei ab.

Doch deren Planung sieht bisher mau aus: „Diesmal werden wir uns nicht auf die vorübergehende Lagebereinigung beschränken, sondern Randalierern sofort Strafanzeigen schreiben und später Kostenrechnungen nachsenden“, droht der zuständige Schutzpolizeidirektor Uwe Wiedemann. Selbst auf Massenfestnahmen am Bahnhof sei die Polizei wieder vorbereitet, denn keineswegs dürften die Punks Bürger in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken.

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