Schmutzige Methoden im „nationalen Interesse“

■ Was wußte Präsident FW de Klerk über die „dritte Kraft“? Die Enthüllungen eines ehemaligen Sicherheitspolizisten belasten die letzte weiße Regierung schwer.

Paul Erasmus hat sich entschlossen zu reden. Und die Bekenntnisse des ehemaligen Sicherheitspolizisten werden bald jene Kommission beschäftigen, die antritt, die Wahrheit herauszufinden. Seit Jahren besteht in Südafrika der begründete Verdacht, daß nach der politischen Wende im Jahr 1990 Teile des Sicherheitsapparates eine „Third Force“, eine „dritte Kraft“ im Staate gebildet hatten, die gezielt politische Gewalt förderte – und selbst beging.

Daß bis zu dem Zeitpunkt, als Präsident Frederik Willem de Klerk die Wende herbeiführte, Polizei und Militär gemordet, gefoltert und Regimegegner unnachgiebig verfolgt haben, ist heute unumstritten. Was aber passierte nach dem 2. Februar 1990, dem Tag, an dem de Klerk die Aufhebung des ANC-Verbots und die Freilassung aller politischen Häftlinge ankündigte? Immer mehr Indizien sprechen dafür, daß de Klerk eine doppelbödige Strategie verfolgte: nach außen politische Liberalisierung, daneben eine gezielte Kampagne, den ANC, aber auch andere oppositionelle Gruppen mit „dirty tricks“ zu sabotieren und zu schwächen.

Erasmus war jahrelang Mitglied von „Stratcom“, einer Spezialabteilung der Sicherheitskräfte, die auf „schmutzige Tricks“ spezialisiert war. Die Enthüllungen von Erasmus, der 1993 den Dienst quittierte, sind ungeheuerlich: Er klärt etwa die Geschichte des Apartheid-Gegners Stanza Bopape auf, der 1987 spurlos verschwunden war. Nach Angaben von Erasmus wurde er im Polizeihauptquartier von Johannesburg zu Tode gefoltert. Erasmus gibt auch zu, daß die beinahe geglückte langsame Vergiftung des früheren Kirchenführers Frank Chikane im Jahr 1989 von der Sicherheitspolizei geplant und durchgeführt wurde.

Politisch brisanter sind aber die Aussagen Erasmus', die die jüngste Geschichte Südafrikas betreffen. Unter öffentlichem Druck mußte de Klerk 1991 nach dem „Inkathagate“-Skandal darangehen, den gesamten Sicherheitsapparat zu reformieren. Denn es war herausgekommen, daß die Polizei die Inkatha Freiheitspartei Mangosuthu Buthelezis mit hohen Geldsummen im Kampf gegen den ANC unterstützt hatte. Inoffizielle Machtzentrale des Apartheid- Staates war lange Jahre der sogenannte Staatssicherheitsrat (SSC), ein Gremium, in dem unter dem Präsidenten mehrere Minister, die Chefs von Polizei und Armee und ihrer jeweiligen Geheimdienste saßen und die Aktionen gegen Regimegegner koordinierten.

De Klerk löste den SSC auf, und auch Stratcom sollte aufgelöst werden. Doch aus Erasmus' Bekenntnissen geht hervor, daß die Spezialtruppe weiterbestand – mit der Anweisung, den ANC bis zu den Wahlen zu schwächen. Dabei gab es „weiche“ und „harte Aktivitäten“: „Weiche“ beinhalteten etwa die Überwachung der Finanzen des ANC, Unterwanderung der Gewerkschaften, das Abhören von Telefonen und das Öffnen von Briefen, „harte“ Mord, Attentate, Sabotage, Diebstahl... – alles im nationalen Interesse.

Und auch daß die „Third Force“ nach 1991 weiterbestand, belegen die Aussagen des Aussteigers. Erhärtet werden sie durch einen bislang unveröffentlichten Bericht der Goldstone-Kommission, die die drastisch ansteigende Gewalt in den neunziger Jahren untersucht hatte. Alles, was die Kommission unter dem Vorsitz des bekannten Richters Goldstone zutage förderte, belegte die Existenz einer „dritten Kraft“, die etwa gezielt den Konflikt zwischen ANC und Inkatha schürte. Wenige Wochen vor der Wahl im April 1994 erhielt de Klerk einen Bericht der Kommission, der empfahl, den damaligen Polizeichef General Johan van der Merwe sowie weitere führende Polizisten sofort zu entlassen. De Klerk hielt den Bericht geheim, der Polizeichef war bis März diesen Jahres im Amt.

Jetzt geht es um die Frage, was de Klerk von den mörderischen Aktivitäten zumindest von Teilen des Sicherheitsapparates gewußt hat. Es ist unwahrscheinlich, daß er über alle Details informiert war. Ebenso unwahrscheinlich ist, daß er so ahnungslos war, wie er jetzt behauptet. Daß zumindest die politische Schwächung des ANC mit vollem Wissen de Klerks geplant wurde, dafür sprechen auch Aussagen van der Merwes. Für den letzten weißen Präsidenten, der heute als Vizepräsident in der Regierung sitzt, geht es um die politische Existenz. Sollten die Anhörungen vor der Wahrheitskommission ergeben, daß Erasmus die Wahrheit sagt, wäre das mit Sicherheit das politische Aus für den Mann, der immer von sich behauptet: „Unsere Hände sind sauber.“