Scheuermänner leben sicherer

■ Bremer Hafenarbeiter haben weniger Unfälle / Grund: Industrialisierung im Seeverkehr

Die fehlende Nostalgie in Häfen und auf Seeschiffen hat auch ihr Gutes: Es passieren weniger Unfälle. Wo weniger Leute arbeiten, verletzen sich naturgemäß auch weniger. Aber nein: Die Statistik erfaßt Unfälle immer auf 1.000 Arbeitnehmer bezogen. Im ersten halben Jahr 1995 haben sich rund 77 Lagerarbeiter von 1.000 der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) mit gelbem Zettel wegen Arbeitsunfällen von den Kajen abgemeldet. Insgesamt hatten die 3.260 BLG-Beschäftigten 250 Unfälle in den vergangenen sechs Monaten.

Die gute Meldung: Mit diesen drögen Zahlen liegt die BLG unterhalb des statistischen Mittels aller deutschen Seehäfen. Durchschnittlich kommen auf 1.000 Vollzeitbeschäftigte 96 Unfälle. Noch vor 15 Jahren verletzten sich 213 Hafenarbeiter bei der Arbeit.

„Das hängt mit der Industrialisierung im Seeverkehr zusammen“, sagt Hartmut Schwerdtfeger, Sprecher der BLG. Mußten die Kaffeesäcke in den achtziger Jahren noch per Hand im Schiffsrumpf in Netze geladen werden, dann mit dem Kran an Land gehievt und dort wieder auf Paletten gestapelt werden, so kommen die Bohnen heutzutage als Sackware im Container in Bremen an. 80 Prozent der für die Hansestadt so wichtigen Ware landen mittlerweile in den Kisten an, schätzt Peter Löpmeier, technischer Leiter der Berufsgenossenschaft Großhandel und Lagerei. Ähnliche Zahlen gelten auch für die Baumwolle: Längst türmen sich keine Ballen mehr in den Schiffsbäuchen, die Rohfaser kommt ebenfalls in Standard-Kisten.

Die Container werden zudem nicht mehr mit wackeligen Schiffskränen gelöscht, sondern mit neuartigen Brückenkränen: Die Kiste hängt an zwei Winden, kann nicht verrutschen und schief liegen. Nicht mal die Container an Land packen die Scheuerleute mehr per Hand aus: Die Container werden gekippt, die Kaffesäcke fallen raus und werden in andere Gebinde verteilt. „Die Gefahren der Hafenarbeiter gehen damit in den Landbereich“, meint Löpmeier. Denn dort sind längst nicht alle Unternehmen auf die standardisierten Mengen eines Container-Terminals ausgerichtet. Es komme des öfteren vor, daß Fabrikarbeitern die Ladung entgegenfällt, sobald sie die Türen geöffnet haben.

Trotz aller schönen Statistik der Berufsgenossenschaft bleibt die Arbeit auf den Kajen und Decks gefährlich. „Große Unfallgefahren sind immer dort vorhanden, wo Großgeräte und Menschen auf engem Raum zusammenarbeiten“, heißt es in der Zeitung der Berufsgenossenschaft. Vor allem die Anladung der Container von Wasserseite berge große Gefahren. Damit hat die BLG bislang keine Probleme gehabt. „Die Unfälle passieren, wenn die Gabelstapler da durch die Gänge rauschen und einem Kollegen über den Fuß fahren, der da gerade um die Ecke schleicht“, sagt BLG-Sprecher Schwerdtfeger. Da helfen auch Schutzschuhe und Helme nicht mehr. „Aber die Sicherheitsschulungen haben viel bewirkt“, meint der technische Aufpasser der Genossenschaft in Bremen: „Alkohol spielt nämlich bei Unfällen überhaupt keine Rolle mehr“.

Froh über den Erfolg seiner Arbeit, ist Löpmeier dennoch kritisch gegenüber den Zahlen: „Weniger Unfälle kommen auch durch den Umschlagrückgang der vergangenen Jahre“.

ufo