Undinge: Rascheln Von Claudia Kohlhase

Was raschelt? Wer raschelt und warum? Und ist Rascheln überhaupt von Bedeutung? Rascheln ist nicht zu verwechseln mit Rappeln, Klappern oder Rasseln, diesem typischen Geräusch, wenn eine Schlange durchs trockene Gras schleicht. Rascheln ist eher untrockener, wenn auch nicht feucht. Rascheln ist im Prinzip, wenn etwas wackelt und dabei den Nachbarn antippt, im Falle einer Nachbarin die Nachbarin.

Das ist zwar eine gewagte, dafür aber auch nur eine kleine These – wobei es egal ist, ob jetzt jemand unbedingt verifizieren möchte und verzweifelt nach einem Raschelerlebnis sucht. Raschelerlebnisse sind nicht so einfach zu machen wie zum Beispiel Rappel- und Rattererfahrungen, da Rascheln etwas sehr Subjektives darstellt. Der eine empfindet bereits Weberknechte im Wolkenstore als Rascheln, dem nächsten klingen dagegen Asseln im Unterholz noch wie Leute wie du und ich. Ganz andere wiederum denken beim Rascheln an Dinge, die viel eher titschen oder knispeln; frage mich jetzt keiner, was das denn für Geräusche sind, die derart titschen oder knispeln, daß sie wie Rascheln klingen – ich bin froh, daß ich grob weiß, was Rascheln ist.

Manche glauben im Ernst, daß Papier raschelt. Dabei hat noch nie ein Mensch Papier rascheln sehen, weil da selten der Wind weht, auch wo rasch entraschelbares Papier herumliegt. Stichwort Wind: ohne Wind kein himmlisches, höchstens ein höllisches Rascheln. Höllisches Rascheln zum Beispiel ist ein Rascheln, das raschelt, ohne daß irgendjemand auch nur einen allerkleinsten Raschelanlaß findet. Im Dach kann man sich immerhin noch Mäuse dazu ausmalen. Raschelt es allerdings diametral im Keller, ist das vermutlich ein dezenter Einbrecher; wobei es nach unserer Raschelthese nur zwei sein können, da sie sich ja gegenseitig antippen müssen.

Das untypische Rascheln schenken wir uns jetzt mal, weil uns das in Teufels Küche bringt, wo wir oben schon mal waren, als wir Klappern, Rattern und Ritschen kaum auseinanderhalten konnten. Dabei ist die entscheidende Frage beim Rascheln, ob rascheln etwas Unaufgeregtes oder Aufgeregtes ist; ob sich etwas gerne und freiwillig bewegt oder ob es geraschelt wird. Es kann natürlich sein, daß beides zusammenfällt und ein unglaublich saturiertes Rascheln die Folge davon ist. Wir finden so etwas im Blattbereich bei Starkwind und stellen uns dazu Myriaden enthemmter Kirschbaumblätter unter dem Dirigat eines saloppen Ostwinds vor. Das ist ein fast automobiles Wippen und Wogen und Antippen, wie es klassischer nicht rascheln könnte.

Aber ich hör' dahinten jemand von Regengüssen auf Hortensienblättern faseln. Regengüsse auf Hortensienblättern fallen eindeutig in die Prassel- und nicht in die Raschelkategorie. Da könnte man genausogut von Klappern reden, dabei klappert heute nicht mal mehr das Handwerk, oder klappert noch jemand, wenn er Fliesen verlegt? Wo schon nichts mehr klappert, da muß zumindest das Rascheln vor dem Aussterben geschützt werden, zur Not auch noch das Rattern und das Knispeln. Vor allem aber das Rascheln, eine seit dem 17. Jahrhundert bezeugte Iterativbildung, die den Vorgang bezeichnet, wenn ein Nachbar den anderen antippt und das wiederholt.