SPD-Bürgermeister will grüne Stadträtin entmachten

■ Baustadträtin Romberg rüttelt am neuen Tempodrom / Bebauungsplan wäre erst nach der Wahl fertig / Bürgermeister Strieder droht Romberg mit Kompetenzentzug

Im Kreuzberger Bezirksamt fliegen schon wieder die Fetzen. Baustadträtin Erika Romberg (Bündnis 90/Die Grünen) wirft Bezirksbürgermeister Peter Strieder (SPD) „offene Erpressung“ vor. Der nämlich droht ihr, Zuständigkeiten wegzunehmen. Anlaß ist ein erneuter Streit um das Tempodrom, das 1996 aus dem Tiergarten auf das Gelände am ehemaligen Anhalter Personenbahnhof in Kreuzberg umziehen soll. Der dafür nötige Bebauungsplan sollte ab Mitte dieses Monats der Öffentlichkeit vorgestellt werden, und diese sollte dazu Stellung nehmen. Doch in der Sitzung des Bezirksamtes am Dienstag konfrontierte Baustadträtin Romberg ihre Stadtratskollegen und den Bürgermeister mit einer neuen Idee und Verzögerungen.

Romberg will das Tempodrom von einer Hochfläche im Süden des Geländes nach Norden an den Porticus, die Portalruine des Anhalter Personenbahnhofs, verschieben. Die Baustadträtin, die in der Vergangenheit den Standort am ehemaligen Anhalter Personenbahnhof grundsätzlich und vehement abgelehnt hat, argumentiert jetzt mit dem Erhalt von „Biotopen“. Auf der etwa fünf Meter erhöhten Fläche seien Sandtrockenrasen, Kraut- und Staudenflächen und 180 gesetzlich geschützte Bäume bedroht. Bei ihrer Vernichtung wiederum sei der vorgeschriebene Ersatz an anderer Stelle so teuer, daß das Tempodrom in den „wirtschaftlichen Ruin“ getrieben würde. Außerdem würden Einsprüche der Anwohner den Baubeginn an dieser Stelle sowieso verhindern oder zumindest verzögern.

Bezirksbürgermeister Peter Strieder hält die Argumente seiner Stadträtin dagegen für vorgeschoben. Er und auch die Architektin des Tempodroms, Jutta Kalepky, bezweifeln den ökolgischen Wert der Hochfläche. Das einzige Gutachten stamme aus dem Jahr 1982, seitdem seien einzigartige Pflanzen von heimischen überwuchert worden. Es gebe schützenswerte Pflanzen und Bäume nur punktuell, sagt Strieder. Ihr Ersatz bedeute für das Tempodrom in keinem Fall den wirtschaftlichen Ruin, weil das Abgeordnetenhaus beschlossen habe, Neupflanzungen in einem ebenfalls auf dem Gelände geplanten Park aus dem Landeshaushalt zu bezahlen. Architektin Kalepky betont darüber hinaus, daß die Hochfläche bei dem jetzigen Konzept als naturgegebener Schallschutz diene, für Zuschauertribünen eines Tempodroms an anderer Stelle seien dagegen fünf bis sieben Meter hohe Stützwände aus Beton notwendig.

Strieder fürchtet, daß Romberg die Aufstellung des Bebauungsplans bis nach den Wahlen verzögern will, um dann mit neuen Mehrheiten das Tempodrom ganz zu kippen. Deshalb werde er ihr die Zuständigkeit für diesen Bebauungsplan entziehen, wenn sie sich nicht an den vom Bezirksamt beschlossenen Entwurf halte.

Der Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege, Herbert Sukopp, hält den Standort Hochfläche zwar für problematisch. Doch dieser Konflikt dürfe nicht dazu führen, daß das Tempodrom nicht auf den Anhalter Bahnhof komme. Dirk Wildt