Roman und wie er die Welt sieht Von Hans-Hermann Kotte

Bundespräsident Roman Herzog (CDU) wird von der Presse so durchgehend wohlwollend rezensiert, daß fast schon von Selbstgleichschaltung gesprochen werden darf. Besonders Herzogs „Humor“ wird immer wieder gelobt. Tatsächlich ist es nicht ganz unwitzig, wenn er nach einem Konzert mit Justus Frantz sagt, er hätte „das Orchester auch ohne den Dirigenten schön gefunden“. Oder wenn er meint, daß sein neuer Job echt klasse sei: „Alles ist besser als wirklich arbeiten.“ Aber sind das gewollte Pointen?

Schaut man sich Herzogs Reden und Interviews an, wird schnell klar, daß er selbst in der längerbedachten Form zu sprachlicher Dreistig- und Ungenauigkeit, ja Dumpfheit neigt. Zu Beginn des Gedenkjahres 1995 gab der Präsident folgenden denkwürdigen Satz von sich: „Wenn ich mich an den ersten Weltkrieg oder an den zweiten Weltkrieg erinnere, dann ist damit zunächst einmal einfach das Entsetzen darüber verbunden, was Menschen sich gegenseitig angetan haben.“ So alt ist er nun auch wieder nicht.

Bei Sozialstaat fällt Herzog die Pferderennbahn ein: „Ich bin leidenschaftlich dafür, daß der Sozialstaat erhalten bleibt. Das bedeutet aber, daß wir eigentlich den anderen in der technischen Entwicklung immer um zwei Pferdelängen voraus sein müssen. Und das sind wir im Augenblick, wenn ich das recht sehe, nicht.“

Zum Tag der Deutschen Einheit zog er gleich den Knüppel: „Natürlich müssen Recht und Verwaltung Übergriffe der Stärkeren auf die Schwächeren verhindern und natürlich haben sie auch die Würde von Mensch und Natur zu bewahren. Aber sie sind nicht dazu da, Verkrustungen zu bewahren und Visionen totzuschlagen.“

Unterm Stichwort Familie finden wir folgende Analyse: „Angesichts der Gewaltproblematik in den Schulen würde ich gerne wissen, wieviel Schüler dort Einzelkinder sind, die eben ihre ,Revierkämpfe‘ nicht im brüderlichen Gegeneinander austragen können.“

Aber kann die Welt noch geheilt werden? Na klar, digital: „Wie die Mathematik kennt die Informatik keine Klassenunterschiede, keine nationalen Grenzen und keine kulturellen Barrieren. Ihr Potential ist überall emanzipatorisch. Es gibt dem arbeitssuchenden Jugendlichen in Brasilien die gleiche Chance wie dem in Thüringen, Kalifornien oder Indonesien. Informatik (...) kann deswegen zur Integration der Randgruppen der Gesellschaft (...) ebenso gut beitragen wie zum Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd in der Weltwirtschaft.“

Genial auch, wie Herzog in seiner Rede zum 8. Mai in einer pathetischen Passage über Europa versuchte, gleich noch den Marx mit zu erledigen: „Heute haben wir die einmalige Chance, das Dach – den geistigen Überbau Europas – zu festigen (...) In der europäischen Kultur und in den Besonderheiten europäischen Denkens haben wir nämlich einen Überbau, der nicht irgendwelchen ökonomischen Verhältnissen folgt, sondern der – genau umgekehrt – Richtlinie und Maßstab des ihm folgenden Unterbaus, der europäischen Einigung setzt. Wenn uns das gelingt, ist ein zentrales Stück kommunistischer Ideologie, nicht nur praktisch, sondern auch geistig überwunden, ist Europa zu sich selbst zurückgekehrt.“ Amen!