Gump als Killer 95

■ Das 8. Fantasy-Filmfest läßt keinen Zweifel - ein Genre ist braindead

Das Blut will nicht mehr recht fließen nach den Splattern, Thrillern und Fantasy-Filmen, die während der Achtziger wie ein steter Klimax gedreht wurden. Seit zwei Jahren ist das Genre braindead. Liegt es daran, daß reales Grauen die Grenzen zum Imaginären niedergewalzt hat? „Mann beißt Hund“ war dokumentarisch angelegt, „Pulp Fiction“ im Plauderton. Der Tod ist ein Meister der Fußmassage.

Beim Fantasy-Filmfest erschöpfen sich die Themen dieses Jahr in häßlichen Parabeln auf Genmanipulation („Exquisite Tenderness“), Mord und Medien („Final Hour“) oder einer sonstwie aus den Fugen suppenden Zukunft, in der ein jeder nicht besonders gut mit seinem Nachbarn kann. Dann wird die Special-Effect-Keule herausgeholt, und kleine Verfehlungen im Geschlechtsleben begleicht die Axt. Carl Schenkel läßt in „Exquisite Tenderness“ einen verstörten Medizinstudenten Menschen an der Leber fleddern, weil er seiner enttäuschten Liebe nachhängt. Aber der jugendliche Irrsinn bewegt sich im Kindchenschema, mal rollende Augen, mal keuchender Aderlaß; nur warum all die fehlgeleiteten Gefühle nicht aus ihm strömen können, erfährt man nicht. Clive Barkers „Candyman II“ mixt ein wenig Blutschande in die schauerromanartige Story eines Wanderers zwischen den Welten. Weil der Sklave Robitaille für eine Affäre mit der Tochter des Plantagenbesitzers von Bienen zu Tode gestochen wurde, übt er als Zombie Rache an seinen grundweißen Nachfahren. Solange in deren Herzen noch der Voodoo pocht, haben auch sie kein Anrecht auf Leben. Ob daraus Mischehe oder Segregation zu folgern wäre, bleibt Barkers Geheimnis.

Ähnlich körperbetont orientiert sich Jeffrey Arsenaults „Night Owl“ an falschem Sex und schnellem Tod. Vampir Jake erfreut sich in SM-Clubs an schmerzlichen Quickies, die mit dem Aussaugen aufgeschlitzter Kehlen enden. Das Ganze will eine „Umsetzung des Vampirmythos im heutigen Großstadtfrust Amerikas“ sein – Nirwana eben. Solcherlei analysefreie Materialsichtung war den Pionieren fern. Während Romeros „Martin“ oder Cravens Freddy Kruger von Mord zu Mord ein wenig Zuneigung für ihre Opfer aufbringen durften und damit auch etwas von sich selbst preisgaben, verläuft heute im Splatter alles wie eine lose Verkettung von Auslöschungen. Nicht zufällig ist der zurückgebliebene Protagonist in „Cold Blooded“ eine Art Forrest Gump mit Killerinstinkt. Harald Fricke

3.-8. 8. in Berlin