Das Portrait
: Das "Schäfchen" wird erwachsen

■ Giovannnino Agnelli

Für die Zeitungen ist er noch „Agnellino“, das Schäfchen, doch immerhin gilt er auch außerhalb des Clans bereits als einer der fähigsten Nachwuchsmanager: Giovannino Alberto Agnelli, Neffe des Fiat-Präsidenten Gianni Agnelli, wurde von diesem vergangene Woche offiziell in einem Interview – wie es sich für richtige Piemontesen gehört – im französischen Nouvel Economiste zum Erben des Fiat-Imperiums gekürt.

Mit 31 Jahren einer der jüngsten aus der vierten Fiat- Generation, hat er nun alle anderen Thron-Prätendeten überflügelt, auch Edoardo, 45, den Sohn des Patriarchen Gianni. Daß ein Sprößling von Giannis Bruder Umberto die Führungsrolle im Clan übernimmt, könnte den Frieden im Hause Agnelli wiederherstellen. Verärgert war vor zwei Jahren Umberto aus dem Management des Stammhauses ausgeschieden, als Chef Gianni ihn, der 14 Jahre jünger ist, nicht zu seinem Nachfolger ernennen wollte.

Giovannino besitzt einige für Fiat-Sprößlinge ungewöhnliche Eigenschaften: So tendiert er weder zum notorischen Schürzenjäger wie die Männergeneration vor ihm, noch zeichnet er sich, wie Vetter Edoardo, durch extravagante Egotrips und Rauschgiftgenuß aus. Der neu gekürte Fiat-Chef hat dagegen brav an der Brown University in Providence studiert. Mit 25 ging's ab ins Arbeitsleben – unter anderem incognito als Dreher in der Roboterfirma Comau des Fiat-Konzerns, drei Jahre später schon saß er im Management der Motorradfirma Piaggio. Die hatte die Familie einst als Aussteuer mitbekommen – Umberto heiratete die Erbin der legendären Firma, in der die legendäre Vespa hergestellt wurde.

Giovannino Agnelli: Der Bambino soll neuer Fiat- Chef werden Foto: AP

Zu diesem Zeitpunkt war Piaggio allerdings weit in die roten Zahlen gerutscht – mit einer aggressiven Marktpolitik sanierte Agnelli jr. den Betrieb, ohne Mitarbeiter entlassen zu müssen. Ein Umsatzplus von fast 80 Prozent, auf heute umgerechnet mehr als zwei Milliarden Mark, war das Ergebnis. Sein Führungsstil gilt dabei als kollegial. Offene Kommunikation im Betrieb wird hochgehalten. Hellauf begeistert sind die Gewerkschaften: Seit Giovannino Piaggio leitet, gab es keinen einzigen Tag Streik. Auch der notorische Absentismus ist auf nahezu Null gesunken. Ein Wunderknabe. Eine große Zukunft als Fiat-Chef wird von Auguren und der Familie Agnelli selbst schon bald prophezeit. Werner Raith