Symbolische Ohrfeige für Clintons Bosnienpolitik

■ Das US-Repräsentantenhaus beschließt die einseitige Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien. Ob die Resolution umgesetzt wird, ist aber fraglich

Washington (taz) – Nach dem Senat hat nun auch das US-amerikanische Repräsentantenhaus der Bosnienpolitik der Regierung von Präsident Bill Clinton eine deutliche Absage erteilt. Wie erwartet stimmten am Dienstag zwei Drittel der Abgeordneten für die einseitige Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien. Die Regierung hatte die Parlamentarier bis zum Schluß vor einem solchen Schritt gewarnt: Eine unilaterale Aufhebung des Embargos würde nicht nur einen tiefen Bruch innerhalb der Nato verursachen, sondern auch den Krieg in Bosnien „amerikanisieren“.

Doch nach einer emotionalen Diskussion votierten 298 Mitglieder des Repräsentantenhauses bei 128 Gegenstimmen für die Aufhebung des Embargos. Der republikanische Abgeordnete Bill Paxon bezeichnete in der Debatte die bosnischen Serben als „moderne Hitlers“, während sein demokratischer Kollege David Bonior die Passivität des Westens beklagte. „Wie viele Greueltaten wollen wir eigentlich noch mitansehen?“

Ob die moralische Empörung auf die militärische Ausstattung der bosnischen Armee Auswirkungen haben wird, erscheint höchst fraglich. Die Resolution verliert kein Wort darüber, ob, wie viele und welche Waffen die bosnische Armee aus den USA erhalten soll. Offensichtlich erwartet man, daß islamische Länder mehr oder weniger offiziell die Rolle der Lieferanten übernehmen und vor allem schwere Waffen sowjetischer Machart aufkaufen.

Die Auseinandersetzung zwischen Legislative und Exekutive geriet somit eher zu einem innenpolitischen Schlagabtausch im Zeichen des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes. Der Republikaner Bob Dole, derzeit aussichtsreichster Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei, konnte mit dieser Abstimmung einen klaren Sieg gegen Bill Clinton verbuchen. Dieser will sein Veto gegen die Resolution einlegen. Um dieses außer Kraft zu setzen, muß in beiden Kammern erneut eine Zweidrittelmehrheit zustande kommen.

Zu einem zweiten Votum wird es wohl erst nach der Sommerpause kommen. US-Verteidigungsminister Perry meinte am Dienstag zuversichtlich, daß bei einer zweiten Abstimmung genügend Abgeordnete ihre Meinung ändern und gegen eine einseitige Aufhebung des UN-Embargos stimmen, „wenn sich der ganze Rauch in dieser Angelegenheit erst einmal gelegt hat.“

Diese Zuversicht teilte auch Bundesaußenminister Klaus Kinkel, der die Entscheidung des US- Kongresses als „falsches Signal“ bezeichnet hat.

Entscheidende Einschränkungen im Wortlaut der Resolution reduzieren diese weitgehend auf eine symbolische Ohrfeige für Clintons Bosnienpolitik: Das Waffenembargo soll demnach erst aufgehoben werden, wenn die UNO-Truppen aus Bosnien abgezogen sind; oder spätestens 12 Wochen, nachdem die bosnische Regierung einen solchen Abzug gefordert hat. In beiden Fällen wären die USA an ein Versprechen gebunden, das weder der Kongreß noch die Regierung gerne einlösen wollen: die Entsendung von 25.000 US-Soldaten als Teil der Nato-Eskorte, die den Abzug der Blauhelme schützen soll.

Bei aller rhetorischen Empörung über die Untätigkeit des Westens im allgemeinen und Bill Clintons Unberechenbarkeit im besonderen, haben die Parlamentarier dem Präsidenten ein großes „Schlupfloch“ gelassen: Die Vorlage erlaubt ihm, die unilaterale Aufhebung des Waffenembargos immer wieder um 30 Tage aufzuschieben, indem er vor dem Kongreß die Gefährdung der nationalen Sicherheit geltend macht. Damit, so kommentierte die Zeitschrift The Economist, seien der Resolution schon im Vorfeld viele Zähne gezogen worden.

Auf eine, wenn auch verquere Weise, können sich die Gegner des Waffenembargos im US-Kongreß doch zugute halten, die US-Regierung in der Bosnienpolitik unter Handlungsdruck gesetzt zu haben. Nicht zuletzt die Aussicht auf eine innenpolitisch blamable Niederlage im Parlament hat die Regierung dazu angespornt, die Nato- Verbündeten zu einem härteren militärischen Kurs zu bewegen, um – zumindest vorerst – die Eroberung weiterer UN-Schutzzonen durch bosnische Serben zu verhindern. Am Dienstag abend hatten die Botschafter der 16 Nato-Staaten beschlossen, ihre Luftstreitkräfte zum schnellen Einsatz für den Schutz der verbliebenen vier UN-Schutzzonen in Bosnien bereitzuhalten. Damit erneuerten sie ihre Sicherheitsgarantie für Goražde und darüberhinaus für Bihać, Tuzla und Sarajewo. UNO- Generalsekretär Butros Butros Ghali muß den vom Nato-Rat gebilligten Einsatzplan jedoch noch absegnen. Andrea Böhm