Hans Modrow steht erneut vor dem Gericht

■ Zweite Auflage des Wahlfälschungsprozesses gegen den Ex-DDR-Ministerpräsidenten / Modrow: „Ich erwarte Ihr Urteil ohne Optimismus“

Dresden (taz) – Großes Gähnen im vollbesetzten Gerichtssaal. Auf der Tagesordnung der 4. Strafkammer des Dresdner Landgerichts steht seit gestern erneut der Wahlfälschungsprozeß gegen den letzten Ministerpräsidenten der DDR und heutigen Ehrenvorsitzenden der PDS, Hans Modrow. Vor zwei Jahren hatte ihn das Gericht wegen Wahlmauscheleien im Mai 1989 zu 20.000 Mark Buße verurteilt. Aber dann fand die Staatsanwaltschaft das Urteil gegen ihn und drei Mitangeklagte zu milde und legte beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein.

Bevor es also erneut zur Sache geht, erst die stundenlange Rekapitulation der Ereignisse. Der Vorsitzende Richter Thomas Spiegelhalter verliest achtzig Seiten des angefochtenen Urteils vom 27. Mai 1993. Akribisch hatte sein Vorgänger darin rekonstruiert, wie in Dresden und Berlin die Wahlen zu den Kommunalvertretungen vom 7. Mai 1989 auf politische Linie getrimmt wurden. Gründlich hatte er sich mit den dabei immer neu zu meisternden Schleuderkurven befaßt: mit der Balance der Angeklagten zwischen Zivilcourage und Parteigehorsam und mit all dem begleitenden politbürokratischen Wortgeschepper.

Hans Modrow, damals 1. Sekretär der Dresdner SED-Bezirksleitung, hört dem Vortrag leise lächelnd zu. Mit einer Miene, als wäre er noch im Amt, sitzt Günther Witteck neben ihm, seinerzeit Vorsitzender des Rates des Bezirkes Dresden. Kaum eine Regung zeigt hingegen Lothar Stammnitz, einst Modrows Stellvertreter. Auch Siegfried Neubert hat das alles schon einmal gehört, er war Sekretär für Landwirtschaft in der SED-Bezirkszentrale.

„Zu verhandeln“, erklärt Spiegelhalter seinen aktuellen Auftrag, „sind die Strafen für Taten, die bereits rechtmäßig festgestellt sind.“ Der BGH habe ebenfalls darauf hingewiesen, daß die den Angeklagten zur Last gelegte Anstiftung in vier Fällen nicht als eine Straftat, sondern als Summe von vier einzeln zu bewertenden Straftaten zu ahnden sei. Modrow-Anwalt Friedrich Wolff bezeichnet als „Knackpunkt“ des Prozesses deshalb die Frage, „inwieweit das Gericht an das Urteil des BGH gebunden ist“. Neue Beweisanträge wolle er nicht stellen: „Wir werden nicht einen Prozeß in die Länge ziehen, der sowieso schon viel zu lange dauert.“

Modrow, dem das alte BGH- Urteil „eigensüchtige Motive“ vorwirft, weckt die Zuhörer endlich mit einer politischen Erklärung wieder auf. Es gehe in dem Prozeß „nicht mehr um Wahlfälschung“, sagt er, „sondern um die PDS“. Den alten Richterspruch würdigt er als „ein Zeichen des Rechtsfriedens“, das nun in dem Revisionsprozeß „ausgelöscht“ werden solle. Erneut erklärt Modrow seine Schuld: „Ich habe nicht verhindert, daß die Wahlfälschung begangen worden ist.“ Dazu zitiert er eine Aussage des Dresdner Ex-OBs Wolfgang Berghofer: „Uns war klar, daß wir sonst aus dem sich im Gang befindlichen Veränderungsprozeß im Lande ausgeschaltet worden wären.“ Nicht Wahlprozente seien ihm im Frühjahr 89 wichtig gewesen, sondern dabeizusein, wenn es losging. Und er schließt mit den Worten: „Ich erwarte Ihr Urteil ohne Optimismus.“

Der sächsische PDS-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Peter Porsch bewertet das Revisionsverfahren etwas lauter: als „Kammergerichtsspiel“ und „Ruf nach einem scharfen Richter“. Detlef Krell