Vielsprachiger Druck

■ Türken und Kurden an einem Redaktionstisch: Kulturzeitschrift „Anlasim“

Als am Wochenende der Brandsatz in das türkische Reisebüro in Walle flog, waren die deutschen Medien schnell mit einem Tatverdacht zur Stelle. „Vermutlich von PKK-Anhängern“, hieß es in Funk und Fernsehen. Die Leute von „Dayanisma“ sind sich da nicht so sicher. In dem Verein aus der Vahr weiß man, daß hinter den naheliegenden Klischees sehr viel komplexere Wahrheiten liegen. Diese ein wenig an die Öffentlichkeit zu bringen, gibt „Dayanisma“ (“Solidarität“) jetzt eine Kulturzeitschrift heraus. Die „Zeitschrift für alle“ spricht so viele Sprachen wie seine AutorInnen: TürkInnen, KurdInnen, PerserInnen und Deutsche machen hier gemeinsame Sache. Der Titel ist Programm: „Anlasim“ heißt „Verständigung“.

Hinter dem Titel steckt der nicht eben geringe Anspruch, möglichst viele Nationen, Kulturen und Generationen miteinander ins Gespräch zu bringen. Deutsche Beiträge, z.B. zum kurdisch/türkischen Konflikt, werden im Heft mehrsprachig abgedruckt; Gedichte des gerade verstorbenen Nazim Hikmet sind in Deutsch zu lesen: „Es ist noch nicht zu spät, Geliebte/ Mein Herz ist noch nicht müde.“

Vor allem die ImmigrantInnen der „ersten Generation“ soll das mehrsprachige Konzept ansprechen. „Viele lesen überhaupt keine deutschen Zeitungen“, sagt Ercan Arslan, Mitinitiator von „Anlasim“. Türkische Zeitungen, vor allem der Sender TRT-TV dienten oft als einzige Informationsquelle. Über aktuelle Politik in Deutschland seien viele ältere MitbürgerInnen so gar nicht informiert.

Alte und junge ImmigrantInnen sollen sich in der neuen Zeitschrift wiederfinden – und ins Gespräch kommen. Kontroversen sind erwünscht. „Wer legt fest, wer Kurde ist und wie? Warum soll Kurdistan gegründet werden?“ fragt der Bremer Uni-Professor Klaus Liebe-Harkort in einem der ersten Beiträge; die Redaktion freut sich schon auf den heftigen Widerspruch der Leserschaft. Immerhin werde in Bremen immer noch miteinander geredet, sagt Arslan. Wobei die jüngsten Anschläge auch in der Vahr für Verunsicherung sorgten. „Die Polarisierung ist da“, sagt Arslan, „aber man greift sich nicht direkt an.“ Graue Wölfe und PKK-Mitglieder gibt es seines Wissens nicht im Verein. „Aber die Gruppierungen, die die Stimmung ausnutzen und pushen wollen, sind schon da. Und wenn's mal kracht, dann kracht es richtig.“

Deswegen will sich die Zeitschrift – bei aller Debattierlust – auch vor eindeutig parteiischen, radikalen Äußerungen hüten. Schon Wochen vor dem Erscheinen der Nullnummer ging ein Telefonanruf ein, der die Redaktion ermahnte, „keine kurdische Propaganda zu machen.“ Es bleibt ein schmaler Grat für die „Verständigung“ und ihre Diskussionslinien. „In dem Moment, wo man für Kurden Partei ergreift und sich bekennt, wird man hier gleich in Verbindung mit der PKK gebracht“, sagt Arslan, selbst Kurde, der 1981 als 16jähriger aus der Türkei zu seinen Eltern nach Deutschland zog.

Das Prinzip der Vielsprachigkeit will die Redaktion künftig noch ausdehnen. Die Oktober-Ausgabe soll fünfsprachig sein, mit persischen und arabischen Texten – wenn dann der Computer beim Dachverband der Ausländer in Bremen (DAB) die Schriftzeichen versteht. Warum nicht auch Gedichte auf Russisch, auf Polnisch?

Alles eine Frage des Geldes. Denn bislang zehrt die Zeitschrift von einem 11.000-Mark-Zuschuß, den das Ressort für Ausländerintegration lockermachte. Seit der Wahl gibt es das bekanntlich nicht mehr. Und Arslan wüßte gern, an wen er sich jetzt eigentlich wenden soll. Denn am Jahresende ist der Zuschuß aufgebraucht. Und durch ehrenamtlichen Arbeit allein läßt sich auch die billige DAB-Druckerei nicht bezahlen. tw