CDU verlangt volle Kraft in Brüssel

■ Scharfer Brief ans Rathaus / EU-Staatsrat Niederbremer will halbe Woche in Bremen bleiben

Harte Kritik hat die CDU an der Vernachlässigung Bremer Interessen durch den vom Senat berufenen Vertreter Bremens bei der EU in Brüssel geübt. „Aus unserer Sicht ist unverzichtbar, daß der Leiter des Bremen-Büros während der Woche – aber auch an der Mehrzahl der Wochenenden – wegen der beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen in Brüssel präsent ist“, heißt es in einem Brief, den der CDU-Fraktionsvorsitzende an den Bürgermeister geschrieben hat, „statt sich vor Ort uneingeschränkt mit hohem zeitlichen Einsatz für die Bealnge Bremens einzusetzen und Kontakte zu knüpfen, hält sich der neue Büroleiter in der Regel nur drei Tage in der Woche an seinem Arbeitsort auf. Bei einem solchen Gehalt ist im Normalfall eine 7-Tage-Woche selbstverständlich.“

Den Brief hat Peter Kudella am 25. November vergangenen Jahres an Bürgermeister Klaus Wedemeier geschrieben, und gemeint war der ohne Ausschreibung als Bremer Brüssel-Vertreter eingestellte Manfred Mayer-Schwinkendorf (SPD). Der hat am Freitag vergangener Woche seine Kündigung bekommen. Doch die Argumente von damals gelten heute genauso auch für Günther Niederbremer (CDU) , der jetzt als Nachfolger von Mayer-Schwinkendorf die Bremer Interessen bei der EU vertreten soll. Denn auch Niederbremer wird höchstens drei Tage in der Woche in Brüssel präsent sein.

„Montags und Dienstags werde ich in Bremen gebraucht, um an Staatsrätekonferenz und Senatssitzung teilzunehmen“, erklärte der frischgebackene Staatsrat für EU-Angelegenheiten gestern auf Anfrage. Für die „zweite Hälfte der Woche“ wolle er dann regelmäßig nach Brüssel fliegen. „Mein Arbeitsschwerpunkt wird aber in Bremen sein, die wesentlichen Dinge müssen hier konzentriert werden.“ Die Leitung des Brüsseler Büros werde er trotzdem persönlich übernehmen. Niederbremer: „Eine Wiederbesetzung der Stelle von Mayer-Schwinkendorf brauchen wir nicht. Das mache ich.“

Seine Aufgabe sieht Niederbremer schließlich auch nicht in der konkreten Akquisition Brüsseler Gelder für Bremer Projekte, sondern in der Entwicklung von Positionen zu Grundsatzfragen der Europapolitik: „Das Anzapfen der Töpfe klappt doch gut, und für die ordentliche Abwicklung der Programme wird weiterhin in den einzelnen Senatsressorts gesorgt. Jetzt muß konzeptionell gearbeitet werden.“

Zwei Beispiele fallen Niederbremer spontan ein, was damit gemeint sei: „Bei neuen Städtepartnerschaften müssen wir auch einmal daran denken, daß sie nicht immer nur Einbahnstraßen sind, sondern uns auch etwas nützen, zum Beispiel mit Bilbao oder Bordeaux.“ Und beim Thema „Informationsgesellschaft“ müsse Bremen „aktiv werden“, zum Beispiel bei der „Entwicklung von Kooperationsprogrammen der maritimen Verbundwirtschaft“.

Unzuständig fühlt sich der neue EU-Staatsrat dagegen bei der Lösung der heikelsten Frage, die Bremen in den nächsten Monaten in Bezug auf die Erfüllung von EU-Richtlinien beschäftigen wird: Für ausländische EU-BürgerInnen muß auch in Bremen ein kommunales Wahlrecht geschaffen werden. Bloß gibt es im Zwei-Städte-Staat Kommunalwahlen bisher nur in Bremerhaven, in Bremen werden Stadtbürgerschaft und Landtag mit einer einzigen Stimme gewählt. Wie an diesem Punkt Bremer Landesverfassung und EU-Gesetz aufeinander abgestimmt werden könnten? – „Es ist nicht meine Aufgabe, mich im Detail darum zu kümmern“, meint Niederbremer.

Wie hatte der CDU-Fraktionschef noch an den Bürgermeister geschrieben: „Stellen Sie wenigstens sicher, daß der neue Büroleiter sich in dem erforderlichen Maße für die Belange Bremens in Brüssel einsetzt. Dafür wird er schließlich mit rund 15.000 Mark monatlich bezahlt.“ Dirk Asendorpf