SPD borgt Slogan bei Kanzler Kohl aus

■ SPD-Parole „Sicher in die Zukunft“ wird von der CDU seit Bundestagswahl benutzt / SPD: Wir wollen „andere Zukunft“

Der Berliner Wahlkampf hat seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Die SPD schmückt ihr 80seitiges „Wahlprogramm 1995“ mit einem Slogan, der bundesweit bereits auf CDU-Kugelschreibern und Plakaten mit Kanzler Kohl prangt: „Sicher in die Zukunft“. Die CDU hatte diese vier Wörter zum zentralen Motto ihres Bundestagswahlkampfs im Oktober vergangenen Jahres gemacht und wird dieses Werbematerial noch mindestens bis 1996 unter das Volk bringen, hieß es gestern beim Berliner Landesverband.

Als die Berliner SPD den Slogan Anfang des Jahres noch vor der Urwahl von Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer entwickelte, war die CDU-Urheberschaft offenbar niemandem aufgefallen. Bis Montag dieser Woche – da beschwerte sich CDU-Landesgeschäftsführer Dieter Ernst in einem süffisanten Brief bei seinem Kollegen Rudolf Hartung von der SPD. Er übermittelte rasch seine „tiefe Besorgnis über das Kreativitätstief“ der SPD.

SPD-Sprecher Joachim Wagner räumte ein, daß bei dem Titel zum Wahlprogramm ein Fehler unterlaufen sei. Der Slogan sei eigentlich länger und hätte heißen müssen: „Berlin gewinnt – Sicher in die Zukunft“. Robert Drewnicki, Mitarbeiter der Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer, gab zu, daß die Wahl dieses Slogans „etwas unglücklich“ sei, versicherte aber, daß die SPD mit Sicherheit eine „vollkommen andere Zukunft“ wolle als die CDU.

Entwickelt hat den Slogan „Sicher in die Zukunft“ die Agentur Kurt von Mannstein in Solingen, die seit langem für Kanzler Kohl und die Bundes-CDU den Wahlkampf gestaltet. Von Mannstein kritisierte gestern, daß Parteien zunehmend kultur- und identitätslos würden sowie nicht mehr genügend „markenhaft“ agierten.

Dem Wähler müsse sich ja geradezu der Eindruck aufdrängen, bei den verschiedenen Parteien handele es sich um ein und dieselbe. Der Berliner SPD könne er keinen Ratschlag geben, empfehle grundsätzlich aber originellere Slogans wie in der Vergangenheit: „Politik ohne Bart“ oder „In die Zukunft – aber nicht auf roten Socken“. Diese Mottos könne dann auch nicht jede x-beliebige Partei für sich vereinnahmen.

Die Düsseldorfer Agentur Butter, die den letztjährigen Bundestagswahlkampf der SPD kreierte, meinte dagegen, daß ein Slogan „nie allein“ betrachtet werden dürfe. „Sicher in die Zukunft“ könne mit sozialdemokratischen Inhalten gefüllt werden, sagte Kreativdirektor Frank Stauss optimistisch, beispielsweise mit Themen wie sozialer Sicherheit oder der Schaffung von Arbeitsplätzen. Eindeutig zuzuordnende Slogans wie „Frieden wählen“ (Helmut Schmidt) oder „Keine Experimente“ (Konrad Adenauer) seien derzeit nicht möglich, weil es derzeit kein Thema gebe, auf das die Parteien den Wahlkampf einzig und allein zuspitzen könnten. Dirk Wildt