„Reist jetzt und laßt nichts aus“

■ Benettons Magazin „Colors“ mixt einen ungenießbaren Reise-Cocktail: Zynisch und menschenverachtend

Während alle Welt klagt, daß niemand mehr wissen möchte, welche Auswirkungen der Tourismus verursacht, daß Fragen nach den Reisemotiven aus der Mode gekommen sind, greift United Colors of Benetton in seiner Zeitschrift Colors das Thema in altbekannter Manier auf und findet reißenden Absatz. In der jüngsten Ausgabe von Colors, dem Globalmagazin mit dem Untertitel „Über den Rest der Welt“, werden Tabus gebrochen, unübliche Verbindungen hergestellt, Altbekanntes aus unbekanntem Blick montiert. Vorgeblich, um das Bewußtsein zu schärfen. Und genau diese dem Zeitgeist folgende Mixtur spricht an. Die herkömmliche Tourismuskritik hat ausgedient.

Oliviero Toscani, Benettons umstrittener Werbestratege, hat angerichtet: Colors ist reich bebildert, ausgestattet mit knappen Texten und Fotos, die auf den hinteren gelben Seiten erklärt werden. Dorthin hat die Redaktion nämlich alle wertvollen, den visuellen Aufbau störenden Infos verbannt: ein Cocktail von Bildgeschichten über Imbisse während der Flüge, Gepäckstücke in abgefahrenem Design, nichtssagende Kategorisierung von Touristen auf Flughäfen durch klischeehaftes Reise-Outfit, Accessoires von paranoiden Reisenden, schräge Souvenirs umkämpfter Länder, eine Reportage über die völlig abgedrehte Pauschalreise, Porträts von fotografierenden blinden Reisenden und Geschichten von traditionellen und modernen Nomaden. Dazwischen, wohl gestreut und in genußvolle Häppchen geteilt, menschenunwürdige Reisetips für Flüchtlinge, wie sie am besten zu Land, zu Wasser und zu Luft ins Exil kommen.

Nicht fehlen darf die Kehrseite der Reisekatalogswirklichkeit. Zu Wort kommen VertreterInnen von international bekannten tourismuskritischen Initiativen.

Eine passable und zukunftsweisende Form der Aufklärung für Reisende, könnte man meinen. Doch spätestens auf den gelben Seiten gerät der Cocktail endgültig zur ungenießbaren Tinktur. Für die Benetton-Redaktion heißt die Parole angesichts der grauenhaften Zerstörungsvielfalt, die ihrer Meinung nach rasend schnell die Einheitskultur schaffe, bei der die Touristen wie Coladosen daherkämen: „Reist jetzt!“ und: „Laßt nichts aus!“, bevor die „vergängliche Welt zur gigantischen Version von allerseits verkommt!“

Den Reisenden wird dringend empfohlen, Menschen im Urlaub zu suchen und nicht das Wetter. Daß dann aber einmütig nebeneinander auf den gelben Seiten die internationale Kampagne gegen Kinderprostitution und der Spartacus-Reiseführer, umstritten und umkämpft wegen seiner Hinweise auf Sex mit Kindern, als empfehlenswerte Einrichtungen aufgeführt werden, ist nicht nur zynisch, sondern schlicht menschenverachtend. Die Vision eines aufgeklärten Tourismus kann so nicht aussehen. Mechthild Maurer