■ Vorlauf
: Raggalution

Raggamuffin hat mit Bob Marleys „One Love“-Schnulzen nicht viel zu tun. In Jamaica wird seit Jahren fast nur noch Ragga gehört – neuer Reggae mit harten Beats und Texten, die von Sex and Guns handeln. Buju Banton ist in Jamaica und den USA der Star, in England sind es Shaggy und Apache Indian. Über die Ragga in Deutschland ist dagegen nur wenig bekannt.

In der sechsten Folge von „Lost in Music“ zeigt das Filmteam um Christoph Dreher und Rolf S. Wolkenstein, was die „Reggae Revolution“ in Deutschland ausgelöst hat. Auch hier gibt es Soundsystems, die jede Woche mit den sparsamen Ragga-Riddims Hunderte zum Schwingen ihrer steifen Hüften bringen. Die neue „Lost in Music“- Sendung ist wie ihre Vorgänger anschaulich und authentisch, führt in die Szene ein. Statt nur Videoclips aneinanderzuschneiden, kommen Musiker aus Jamaica, England und Deutschland ausführlich zu Wort, ohne daß belehrend aus dem Off kommentiert wird. Man folgt den Hamburger DJs von Silly Walks zum Plattenkauf nach London, wird in ein altertümliches Preßwerk geführt, sieht DJs bei der Arbeit zu.

Dem plattenauflegenden Selector wird ebenso auf die flinken Finger geschaut wie dem Operator, der die Soundeffekte zur Musik mischt – und man begleitet den jungen Kölner Gentleman bei einem Auftritt in Jamaica. Der weiße Gentleman begeistert hier 15.000 schwarze Zuschauer mit seinen selbstironischen Texten – dabei imitiert er das „Patois“, den jamaikanischen Dialekt, wunderbar perfekt.

Das soziale Umfeld des Raggamuffin kommt allerdings etwas zu kurz. Daß die gewaltbetonten Texte und das obligatorische Macho-Gefasel nicht immer wörtlich zu nehmen sind, erfährt man nicht. Inzwischen gibt sich sogar der Bad Boy Buju Banton politisch korrekt: Vor zwei Jahren hatte sein schwulenfeindlicher Song „Boom Bye Bye“ weltweit für Empörung gesorgt, jetzt ist er zum Dreadlock konvertiert, beschwört den Aufstand der Armen und besingt in „Murderer“ wehklagend die Morde an zwei seiner jamaikanischen Musikerkollegen.

„Reggae Revolution“, arte, 23 UhrOle Schulz