Die wechselvolle Geschichte der Krajina

■ Einst war sie Militärgrenze zwischen Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich. Heute ist die Region der Grund für den Krieg zwischen Kroaten und Serben

Zagreb (taz) – Wenn von der Krajina die Rede ist, dann sind sowohl die Landschaft Krajina wie auch die international nicht anerkannte „Serbische Republik Krajina“ gemeint, die 1991 aus den von Serben eroberten Gebieten Kroatiens entstand. Diese umfaßt nicht nur die Krajina im engeren Sinne, sondern auch Teile der nördlich sich anschließenden Landschaften: der Lika, des Kordun, der Banija, sowie die Anfang Mai 1995 zurückeroberten ostkroatischen Gebiete West- und Ostslawoniens.

Die Landschaft Krajina ist das karge, steinerne und trockene Hinterland der kroatischen Hafenstädte Zadar und Šibenik, das im Norden durch die regenreichen Regionen Lika und Kordun begrenzt wird. Hauptstadt ist die mit 40.000 Einwohnern größte Ansiedlung dieser Region, Knin. Ihre Bedeutung für Kroatien hat die Krajina vor allem durch die Straßen- und Eisenbahnverbindung Zagreb – Split. Die Krajina – was zu deutsch „Militärgrenze“ bedeutet – ist mehrheitlich von Serben besiedelt. Die erste bedeutende Einwanderung orthodoxer Christen fand im 16. Jahrhundert statt. In jener Zeit wurde Knin, das um die Jahrtausendwende zeitweilig Sitz der kroatischen Könige war, zur bedeutendsten Garnisonsstadt von Österreich-Ungarn. Kroatien war damals Teil des Habsburgerreiches, die Krajina eine Militärgrenze gegenüber dem osmanischen Reich. Die bosnische Krajina wurde damals ebenfalls mit Serben besiedelt – dort jedoch auf Geheiß der osmanischen Herrscher – ebenfalls zur Grenzsicherung. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das Zusammenleben von Kroaten und Serben in der Krajina problemlos.

Die „Serbische Republik Krajina“ wurde am 19. Dezember 1991 gegründet. Vorausgegangen war eine beispiellose nationale Mobilisierung der serbischen Landbevölkerung in Kroatien, die sich auf die Angst vor einem unabhängigen kroatischen Staat gründete. Schon im März 1991 drohte der spätere Präsident der Republik Krajina, Milan Babić: „Gesetzt den Fall, Kroatien erklärt sich unabhängig, werden wir Serben der Krajina nicht zögern, einen Krieg zu führen.“ Die Serben fürchteten eine Wiederholung des Genozids des Zweiten Weltkrieges. In der Zeit des von Mussolini und Hitler eingesetzten faschistischen Pavelić- Regimes, dem Ustascha-Staat, sind wahrscheinlich um die 100.00 Serben in Konzentrationslagern ermordet worden. Die Zahlen wurden aufgebauscht, die Zahl der Opfer auf 800.00, später sogar auf 1,5 Millionen angehoben. Mit den Opfern von gestern wurde für den Krieg von heute mobilisiert.

Auch die Kroaten hatten allen Grund zur Angst. Denn in den serbischen Mehrheitsgebieten wurden seit 1989 viele Männer bewaffnet. Und die jugoslawische Volksarmee zeigte offene Sympathien für die serbischen Extremisten. So wurden Erinnerungen an die Unterdrückung im I. Jugoslawien von 1918-1941 wach, als nach der Staatsgründung sich das Königreich der „Slowenen, Kroaten und Serben“ 1928 in eine serbische Diktatur verwandelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann die Kroaten pauschal als „faschistisch“ eingestuft, während der serbische Faschismus jener Zeit nicht einmal Erwähnung fand. Die serbische Bevölkerung der Krajina bejubelte nämlich den Einzug der Mussolinitruppen 1941, und ein großer Teil der Krajina-Tschetniks kollaborierte nach 1943 mit den Deutschen. Im benachbarten Dalmatien dagegen strömte die dort ansässige kroatische Bevölkerung zu den Partisanen.

Nach der Unabhängigkeitsfeier vom 26. Juni 1991 begann der Krieg in Kroatien. Im Juli wurden die kroatischen Bewohner des fünf Kilometer von Knin entfernt liegenden Dorfes Kijevo mit brutaler Gewalt vertrieben – die ersten Opfer der „ethnischen Säuberungen“ im ehemaligen Jugoslawien. Bei der Zerstörung der Barockstadt Vukovar (Oktober 1991) sangen serbische Tschetniktruppen: „Wir schlachten die Kroaten ab.“ Auf der Gegenseite wurden daraufhin serbische Häuser gesprengt, in Gospic und in Slawonien Serben gewaltsam vertrieben.

Fast ein Drittel des kroatischen Staates gehörten fortan zur „Serbischen Republik Krajina“, wo etwa 300.000 Menschen leben. Da die Nachfolger des ersten Ministerpräsidenten Babić offen für die Vereinigung der Krajina mit den in Bosnien eroberten Gebieten und mit Serbien selbst eintraten, wuchs die Neigung der Kroaten, eine militärische Lösung zu suchen. Erstes Zeichen dafür war die Rückeroberung der westslawonischen Gebiete im Mai dieses Jahres. Erich Rathfelder